Für die EU

Hilft noch Protest gegen den Brexit? Oder muss eine soziale Union her?

Londoner Marsch für Europa

Großbritannien 40.000 Menschen verlangen, dass das Brexit-Referendum das Parlament nicht binden soll. Mehrheit der Demonstranten kommt aus dem Bürgertum

Etwas spät: Liebeserklärungen für die EU, Hassbotschaften an Brexit-Freunde Foto: Daniel Zylbersztajn

Aus London Daniel Zylbersztajn

„Never gonna give you up“, sang der britische Musiker Rick Astley im Jahr 1987. „Never gonna give EU up“ sangen am vergangenen Samstag viele der 40.000 Menschen, die sich in London dem „Marsch für Europa“ anschlossen. Die friedliche Protest schlängelte sich durch das Londoner Zentrum, vorbei an vielen Regierungsgebäuden bis hin zum Parliament Square. Als der Demonstrationszug die Downing Street 10 passierte, den Regierungssitz von Premierminister David Cameron, riefen viele im Chor: „Shame on you“ – „Schande über dich“.

Viele der protestierenden Briten und in Großbritannien lebenden EU-Ausländer hatten Europafahnen dabei und warben auf selbst gebastelten Plakaten für den Verbleib Großbritanniens in der EU. Auf Transparenten kritisierten sie falsche Versprechungen vor dem Referendum seitens der Brexit-Befürworter Michael Gove und Boris Johnson von den Tories und dem Ukip-Politiker Nigel Farage. Die Botschaft der Demonstranten an Letzteren war eindeutig: „Fromage statt Farage“.

Unter den Teilnehmenden, die sich selbst als die „48 Prozent“ bezeichneten – jener Anteil der Wählenden, der nicht für Brexit gestimmt hatte –, waren viele mit schickem Hemd, Kleid oder Sakko bekleidet. Beim „Marsch für Europa“ handelte es sich offensichtlich um einen Protest des eher gut situierten und gebildeten Bürgertums.

„Never gonna give EU up“

„Shame on you“

Slogan auf der DemonstrationSprechchöre vor dem Sitz CameronS

Auf der Abschlusskundgebung am Parliament Square sprach unter anderem der irische Rockmusiker Bob Geldof, und der beliebte junge englische Kommentator Owen Jones trat ans Mikrofon. Die gemeinsame Botschaft: Der Brexit sei eine Attacke auf das multikulturelle Großbritannien, ein Sieg des Kleinkarierten im Land. Die Redner betonten unisono, dass Großbritannien eine parlamentarische Demokratie sei und in einer solchen das Unterhaus das letzte Wort zum Referendum habe. Die Abstimmung sei als rein beratend zu verstehen.

Am gleichen Tag äußerte sich Königin Elizabeth, wenn auch nicht mit direktem Bezug zum Brexit, unmissverständlich zur Lage des Vereinigen Königreiches. Während einer Vorsprache im schottischen Parlament Holyrood empfahl sie allen Briten eine klare und ruhige Haltung, denn in einer zunehmend komplexen und herausfordernden Welt würden Entwicklungen in beachtlicher Geschwindigkeit vor sich gehen. Eines der Kennzeichen von Führungsstärke sei es, dass sie genügend Raum für „ruhiges Nachdenken und Einkehr“ gebe. Dies ermögliche „tiefere, kühlere Überlegungen“ darüber, wie „Herausforderungen und Möglichkeiten“ am besten angegangen würden. Üblicherweise äußert die Queen grundsätzlich nicht zu politischen Entwicklungen.