Heiz Profi 15 aus Wüste Welzow

Jubiläum Die feministische Künstlerinnengruppe Endmoräne bespielt seit 1991 verlassene Orte. Im Naturkundemuseum Cottbus geht es ihnen um die Lausitzer Landschaft. Gern wird mit Angelschnur gehängt

Kerstin Baudis: „Geschiebe“, Schablone auf Wand Foto: Katrin Eissing

von Helmut Höge

In diesem Jahr bespielen die feministischen Künstlerinnen der „Endmoräne“ das 2010 aufgegebene Naturkundemuseum in Cottbus. Die Gruppe wurde 1991 nahe der Endmoräne Seelower Höhe gegründet und ist auf verlassene Immobilien abonniert. Die diesjährige Ausstellung fällt mit ihrem 25-jährigen Bestehen zusammen, weswegen viele Leute auch von fern zur Eröffnung kamen. Dazu hatte die Gruppe ihre Arbeiten in den 30 Räumen der 1720 gegründeten Wollgarnspinnerei um einen Weißen Würfel (für ihre Video­dokumentationen) im Foyer des Cottbuser Kunstmuseums nebenan erweitert, wo auch die Jubiläums-Party stattfand.

Wie noch jedes Jahr setzten sich die 25 Künstlerinnen in ihren Arbeiten mit einem verlassenen Ort und seiner Umgebung auseinander. Letzteres war hier vor allem die vom Braunkohle-Tagebau aufgewühlte Lausitzer Landschaft um Cottbus mitsamt ihren vielen zerstörten sorbischen Dörfern. Die argentinische Patricia Pisani antwortete darauf mit einer papierenen Abrissbirne.

Im Tagebau Jänschwalde wiederum fand man einige Mammutknochen, sie landeten im Berliner Naturkundemuseum. Rotraud von der Heides Arbeit bestand in der – leider vergeblichen – Suche nach diesen Knochen.

Renate Hampke stellte Gummistücke aus dem Tagebau Welzow aus, zusammen mit Photos von einer Gummischlauch-Performance.

Dorothea Neumanns Installation „King Coal“ besteht aus einem Thron, zusammengesetzt aus gold angestrichenem Holz und schwarzer Kohle, d.h. Briketts der Marke „Union“ und „Heiz Profi 15“. Während Ka Bomhardts Raum „Schwindel“, dessen Wände und Fußboden von ihr heftig schwarz bepinselt wurden, nach einem leeren Kohlelager aussieht.

Angela Lubic setzte sich mit dem Plan auseinander, das riesige Tagebauloch Cottbus Nord zu fluten, es „Ostsee“ zu nennen und aus Cottbus eine Hafenstadt zu machen. Undine Giseke warb daneben für den Entwurf der „Internationalen Bauausstellung Fürst-Pückler-Land“, den Tagebau Welzow Süd („Wüste Welzow“) so zu lassen, wie er ist, und nur zuzugucken, was da passiert (wächst). Susanne Ahner hat, wie auch schon an anderen Orten, in ihrer Arbeit „Wasserwege“ aufgezeichnet, wie die Spree in Cottbus ihren Weg gesucht hat am Schlossberg entlang und um die Mühleninsel herum.

Sie schlief in der Kirche von Horno, bevor diese weg­gebaggert wurde

Antje Scholz formte aus Ästen eine Kugel – „Moloch“ von ihr genannt. Die Äste sind mit einer dicken Schicht Gelbflechte (Xanthoria parietina) bedeckt, an den unteren hängen Algen wie dünne grüne Lappen. Je näher für den Konzern Vattenfall in Cottbus der endgültige Ausstieg aus der Braunkohle rückt, desto weniger Schwefel ist in der Luft – und desto besser gedeiht die Flechte, die inzwischen die Gehölze dick und vollständig umkleidet hat, „so dass kein Austrieb mehr möglich ist und sie verkümmern“. Die Fadenalge (Zygnema) wiederum „bildet sich vorrangig in künstlich angelegten Gewässern. Sie vermehrt sich dort ohne Feind und reisst alles Leben an sich“.

Am beeindruckendsten fand ich im größten Raum des Gebäudes die Arbeiten von Varsha Nair und Karla Sachse: „Horizon – Lost and Found“ und „geSCHICHTENsammlung“. Varsha Nair dachte sich zarte Lausitz-Zeichnungen auf einer Linie in Brusthöhe an den Wänden aus. Karla Sachse (siehe Photo) arbeitete als Lehrerin in der Lausitz und zeichnete Baggerführer in der Grube Klettwitz, kletterte sonntags auf die Bagger, die den Bergheider See bereiteten, klebte Bilder mit sorbischen Kindern in Hoyerswerda, schlief in der Kirche von Horno, bevor diese zusammen mit dem Friedhof und dem ganzen Dorf weggebaggert wurde, und schlich um das Haus des frühverstorbenen Sängers und Baggerführers Gundermann. Aus den Fotos und Zeichnungen und Texten stellte sie Mappen zusammen, die sie auf Tischplatten auslegte, die an die Decke gehängt wurden.

Überhaupt hängen die Künstlerinnen der Gruppe „Endmoräne“ ihre temporären Arbeiten oft und gerne mit dünner Angelschnur an den Decken auf – statt sie auf Tische mit stabilen Beinen zu platzieren. Gunhild Kreuzer drapierte allerdings in ihrer „Amtsstube“ die Leitz-Aktenordner auf dem Fußboden. Dazu erklärte sie, dass das Leitz-Papier inzwischen in China hergestellt werde. In ihrer „installativen Performance“ über „das ordentliche Leben von Karl-Heinz Scholle“ thematisierte sie dann – teils gesungen – „Abheften“, „Förderband“ und „Beförderung“ und das „Einstempeln und Ausstempeln der Belegschaft“.

Bis 7. August im ehemaligen Naturkundemuseum neben dem dkw. Kunstmuseum Dieselkraftwerk Cottbus. Dienstag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr. Der Katalog über 25 Jahre „Endmoräne“ kostet 25 Euro