Kriminelle raus aus dem Viertel

Theater Das Bremer Kriminaltheater verabschiedet sich mit seiner letzten Premiere „Doppeltüren“ von der Spielstätte in der Friesenstraße. Und die nächsten Morde werden dann in Walle geschehen

Voller Euphorie eröffnete das Bremer Kriminaltheater (b.k.t.) im Oktober 2011 mit der Premiere von „Sherlock Holmes und die Dame in Grün“ seine eigene Spielstätte in der Friesenstraße. In den folgenden Jahren etablierte sich das Theater als feste Größe in der Bremer Kulturszene. Doch noch bevor alle mit der Eröffnung verbundenen Kosten komplett bewältigt sind, muss das b.k.t. in diesem Sommer seine Räumlichkeiten wieder verlassen. Weil das Gebäude einem mehrstöckigen Wohnhaus weichen soll.

Für den künstlerischen Leiter Ralf Knapp ist das eine schmerzvolle Entscheidung. Auf insgesamt 25 Inszenierungen sei er hier in der Friesenstraße gekommen, sagt er: „Da ist man mit einem Raum förmlich verwachsen.“ Das ist nicht nur Wehmut, sondern auch Frust angesichts fehlender Unterstützung aus der Politik: „Wie eine Stadt so lieblos mit ihren Kulturorten umgehen kann, ist mir ein Rätsel.“ Ein solcher war das Gebäude bereits vor dem b.k.t. In den 90ern war hier bereits das Junge Theater untergekommen. So gehe, sagt Knapp, neben dem Waldau-Theater und dem Concordia nun der dritte Ort vor die Hunde, dem eine gewisse theaterhistorische Bedeutung nicht abzusprechen sei.

Ganz vorbei ist es aber noch nicht. Gerade erst feierte Knapps letzte Regiearbeit in der Friesenstraße Premiere: Die Kriminalkomödie „Doppeltüren“ des britischen Dramatikers Alan Ayckbourn. Schauplatz der Handlung ist eine Londoner Hotelsuite im Jahr 2019. Hierhin hat der todkranke Millionär Reece (gespielt von Mateng Pollkläsener) eine Prostituierte bestellt, die sich Poopay nennt (Sissi Zängerle im giftgrünen Latexkostüm).

Reece ist jedoch nicht auf erotische Dienste aus, sondern will sein Gewissen erleichtern. Er hat seine beiden Ehefrauen umbringen lassen. Von seinem Partner, Julian Goodman. Und als der Wind von dem Geständnis bekommt, will er Poopay sofort aus dem Weg räumen. Doch die junge Prostituierte flüchtet in einen Wandschrank, der sich als Zeitmaschine entpuppt: Als Poopay sich wieder herauswagt, trifft sie nicht auf den Killer, sondern auf Ruella, die zweite Ehefrau von Reece, die vor genau 20 Jahren in diesem Zimmer ermordet wurde.

Als die beiden Frauen nach einer Weile begreifen, was hier vor sich geht, beschließen sie, gemeinsam ihr Schicksal in die Hand zu nehmen und jetten im Wandschrank zwischen den Zeiten hin und her. Daraus entwickeln sich Turbulenzen mit allerlei komischem Potenzial.

Doch die Komik, die sich aus dem Text ergibt, scheint Knapp nicht genügt zu haben. Stattdessen setzt seine Inszenierung verstärkt auf Stilmittel des Boulevardtheaters, die man nicht mögen muss, die aber bei Großteilen des Publikums durchaus für Lacher sorgen. Gleiches gilt für die übersteigernde Spielweise, mit der einige der DarstellerInnen ihre Rolle interpretieren.

Dass es aber auch anders funktioniert, zeigt sich in den weniger aufgedrehten Momenten – zum Beispiel bei den Auftritten von Uwe Seidel als grimmiger Killer oder wenn Martina Flügge als Ruella begreift, dass sie noch in dieser Nacht getötet wird, wenn es nicht gelingen sollte, den Zeitlauf zu verändern.

Das ist letztlich natürlich die entscheidende Frage: ob sich die Lebensläufe der Protagonistinnen durch ihre Eingriffe verändern lassen? Daraus generiert sich die Spannung, die zwar durchaus auch in der Inszenierung des b.k.t. aufkommt, jedoch unter der Länge des Abends zu leiden hat. Vor allem zu Beginn und gegen Ende fehlt es der knapp zweieinhalbstündigen Premiere deutlich an Dynamik. Und so gehört „Doppeltüren“ sicherlich nicht zu den stärksten Aufführungen, die das b.k.t. in der Friesenstraße auf die Bretter gebracht hat.

Zum Glück ist es trotz des bevorstehenden Abrisses der aktuellen Spielstätte nicht die letzte Premiere – im Gebäude der Union-Brauerei in Walle hat das b.k.t. bereits eine neue Heimat gefunden, in der es seinen Spielbetrieb ab Mitte August fortsetzen wird. Möglich ist das laut Knapp nicht zuletzt aufgrund der Unterstützung des Fördervereins und von Stiftungen, die dort in die Bresche gesprungen seien, wo die Stadt das Theater im Stich gelassen habe. Ob die Unterstützung ausreicht, um den Betrieb in der neuen Spielstätte dauerhaft zu finanzieren, wird sich allerdings erst in der Zukunft zeigen. Jens Laloire

Termine: 2., 8., 9., 15. und 16. Juli, 20 Uhr, Bremer Kriminaltheater, Friesenstraße 16–19