Marios Bazooka steht vor Gericht

Zentralbank Das Bundesverfassungsgericht urteilt über die Mittel, mit denen Draghi den Euro rettete

FRANKFURT/KARLSRUHE dpa taz | Zwei Tage vor dem britischen Referendum über einen EU-Austritt stellt auch das Bundesverfassungsgericht wichtige Weichen für Europa: Die Karlsruher Richter verkünden an diesem Dienstag ihr Urteil über den umstrittenen Kurs der Europäi­schen Zentralbank (EZB) in der Euro-Schuldenkrise.

Beschneiden die Richter den Spielraum der Währungshüter, könnte das in ohnehin bewegten Tagen neue Turbulenzen im Euroraum auslösen. Aber auch für das Verhältnis der deutschen Verfassungsrichter zum Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg ist das Urteil wegweisend.

Entschieden wird über ein Anleihenkaufprogramm, das seit seinem Beschluss 2012 gar nicht zum Einsatz kam. Auf dem Höhepunkt der Eurokrise hatte EZB-Präsident Mario Draghi damals angekündigt, unter bestimmten Bedingungen unbegrenzt Staatsanleihen von Krisenstaaten zu kaufen (Outright Monetary Transactions, OMT), im Finanzjargon oft als „Bazooka“ bezeichnet, mit denen Draghi Spekulanten drohte, die auf einen Zerfall der Eurozone zockten.

Feuern musste die EZB nicht; die Ankündigung beruhigte die Märkte – der Kauf von Staatsanleihen drückt die Zinslast eines Staats in Finanznot: Er muss weniger für Kredite ausgeben. Bis heute ist ungeklärt, ob die EZB das überhaupt durfte.

Auf mehrere Verfassungsklagen hin hatten die Karlsruher Richter Anfang 2014 deutlich gemacht, dass sie den Beschluss für rechtswidrig halten. Die Notenbank greife in die Zuständigkeit der EU-Staaten ein und finanziere verbotenerweise Staatshaushalte mit. Vor ihrem endgültigen Urteil ließen sie aber den EuGH über die europarechtlichen Fragen entscheiden – das hat es so noch nie gegeben. Die Luxemburger Richter hatten keine Bedenken gegen OMT.

Die Frage ist nun, wie Karlsruhe damit umgeht. Lässt das Verfassungsgericht die EuGH-Vorlage außer Acht, wäre das ein Affront. Umgekehrt ist es schwer vorstellbar, dass die deutschen Richter von ihrer ursprünglichen Position komplett abrücken. Beobachter halten einen Kompromiss für wahrscheinlich, der in der Grundfrage Luxemburg folgt, im Detail aber Bedingungen nennt.

Geklagt haben unter anderen der frühere CSU-Vize Peter Gauweiler, der Verein „Mehr Demokratie“ mit Exbundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) und die Linksfraktion im Bundestag. Würden die Verfassungsrichter das Programm für rechtswidrig erklären, dürfte Deutschland sich über die Bundesbank nicht mehr beteiligen.