Obama verspricht etwas zu tun

AMOKLAUF US-Präsident ruft dazu auf, Schießereien wie in Newtown nicht „als Routine zu akzeptieren“

VON DOROTHEA HAHN

WASHINGTON taz | Das Wort „Gun“ – Schusswaffe – kam kein einziges Mal in der Rede vor. Und dennoch ging es vor allem darum. Präsident Barack Obama hat bei einer ökumenischen Gedenkveranstaltung in Newtown für die 20 erschossenen Schulkinder und ihre sechs Lehrerinnen Worte gesagt, die Millionen US-AmerikanerInnen von ihm erwartet haben: „Ich werde alle Macht, die mir mein Amt gibt, nutzen, um zu verhindern, dass so etwas wieder passiert“, sagte er zwei Tage nach dem Amoklauf am Sonntagabend (Ortszeit). Er bekam langanhaltenden Beifall von der Trauergemeinde im Saal. Und von Menschen überall im Land.

Geistliche verschiedener Konfessionen – von jüdisch über islamisch, methodistisch, lutheranisch und Baha’i bis hin zu katholisch – sprachen bei der Zeremonie in Newtown Gebete für die Ermordeten und ihre Angehörigen. Unter anderem mit Gesängen auf Hebräisch und Arabisch. Am Ende der Veranstaltung ging Obama ans Mikrofon. In seiner 18-minütigen Rede bewegte er sich zwischen Trost und Glaube, zwischen Philosophie und Politik und kam immer wieder auf seine eigene Rolle als Vater und auf die Verpflichtung der Nation gegenüber all ihren Kindern zurück. „Es hätte jede Schule treffen können“, sagte Obama: „jede Stadt“. Und: „Wir haben alle mit euch geweint. Newtown, ihr seid nicht allein.“

Vor der Trauerveranstaltung hat Obama sich am Sonntagabend in Newtown mit Angehörigen der Opfer getroffen. In seiner Rede würdigte er jede einzelne der toten Lehrerinnen für ihren Mut und für ihre Liebe. Er beschrieb die letzten Momente, in denen sie sich schützend vor ihre SchülerInnen gestellt oder versucht haben, den Amokläufer zu überwältigen. „Sie haben so reagiert, wie wir alle hoffen, dass wir in derartig schreckenerregenden Umständen reagieren“, sagte der Präsident. Am Schluss zählte er sehr, sehr langsam die Namen aller toten Kinder von Newtown auf.

Für Obama war es das vierte Mal in seiner Amtszeit als Präsident, dass er an dem Schauplatz eines Massakers in den USA sprach. Vor Newtown war er im Januar 2011 in Tucson, Arizona, wo ein Mann sechs Menschen erschossen und unter anderem die Kongressabgeordnete Gabrielle Giffords schwer verletzt hatte. Im Juli 2012 war er in Aurora, Colorado, wo ein Mann in einem Kino 12 Menschen erschossen und 58 verletzt hatte. Im August war er in Oak Creek, Wisconsin, wo ein Mann sechs Menschen in einem Sikh-Tempel erschossen hatte.

Unklar bleibt, was Obama gegen die Waffenlobby ausrichten kann

Bei jeder dieser Reisen trat Obama als „Comforter-in-Chief“ – als oberster Tröster – auf.

Überall gedachte er in seinen Reden der Opfer. In Newtown ging er darüber hinaus. Er hielt eine politische Rede, die zum Wendepunkt nach langjährig lascher Haltung gegenüber der Schusswaffenlobby werden könnte. Unklar bleibt allerdings, was der Präsident konkret unternehmen will und wie er schärfere Kontrollen gegenüber den einflussreichen FreundInnen der Waffenlobby im Kongress durchzusetzen gedenkt.

„Wir als Nation“, sagte Obama, „tun nicht genug für die Sicherheit unserer Kinder.“ Er verwies ausdrücklich auf die vier vorausgegangenen großen Massaker und auf die beinahe täglichen tödlichen Schießereien in den USA: „Wir können solche Ereignisse nicht als Routine akzeptieren.“

In Newtown, wo seit Freitag zahlreiche Altäre mit Kerzen, Teddybären und Blumen an Straßenecken entstanden sind, wurden am Montag die ersten Kinder bestattet. Was den 20-jährigen Amokläufer zu seiner Tat trieb, ist noch nicht klar.

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