40.000 US-Dollar für ein Studium

Chile II Seit 35 Jahren müssen Eltern für die Ausbildung ihrer Kinder zahlen. Für das Studium verschulden sich ganze Familien – die Bildungsreformen der Regierung ändern wenig an dem neoliberalen System

„Das jetzige System erhält die Logik der Verschuldung für ­Familien aufrecht“

Gabriel Iturra, Confech

Studieren in Chile ist teuer. 1981 wurde das kostenlose Studium an den staatlichen oder privaten Unis abgeschafft. Wer sich ein Studium nicht aus eigener Tasche leisten kann, muss ein Stipendium ergattern – oder einen Kredit aufnehmen.

Das Grundschema: Staatlich garantierte Kredite werden über Banken finanziert. Für Privatbanken ist das ein lukrativer Markt und ein profitables Geschäft. Nach einer Studie der chilenischen Zentralbank waren 2014 knapp 75 Prozent aller Haushalte verschuldet. Zwar sind von diesen Haushalten 63 Prozent mit Konsumentenkrediten belastet, aber mit 8 Prozent liegen die Bildungsschulden an dritter Stelle. Geschätzt wird, dass jeder Studierende nach dem Abschluss mit durchschnittlich 40.000 US-Dollar Schulden dasteht. Diejenigen, die nicht zu Ende studieren, scheiden ebenfalls verschuldet aus. Rund 40 Prozent aller StudentInnen brechen ihr Studium ab.

2005 griff der Staat in die Kreditvergabe ein – wenn auch minimal. Das Sistema Créditos para Estudios Superiores änderte nichts am Grundschema der Kreditvergabe, lediglich die Zinssätze sind seither etwas niedriger. Nach Angaben der dafür zuständigen Behörde haben seither über 700.000 Studierende Kredite beantragt, vier von fünf stammen aus einkommensschwachen Familien. Vergangenen Mittwoch blockierten Studierende vorübergehend den Zugang zur Behörde, um auf die Lage der verschuldeten Familien aufmerksam zu machen. „Sollte das jetzige System aufrechterhalten werden, wird die Verschuldungslogik für die Familien weiter festgeschrieben. Auch unsere Kinder werden sich dann einmal verschulden müssen“, so Gabriel Iturra, Sprecher vom Dachverband der organisierten Studierenden Confech. Es gehe jedoch nicht allein um eine zukünftige kostenlose Hochschulausbildung, auch ein Schuldenerlass für Studierende sei eine zentrale Forderung.

Präsidentin Michelle Bachelet hatte eine Bildungsreform versprochen und einen kostenlosen Zugang zu Schulen und Universitäten in Aussicht gestellt. Bereits Anfang 2015 hatte der Kongress einen ersten Teil der Bildungsreform gebilligt, der vor allem den über 700.000 schulpflichtigen Kindern und Studienwilligen aus einkommensschwachen Familien zugutekommt. Seither dürfen staatliche und private Bildungseinrichtungen SchülerInnen und StudienanfängerInnen nicht mehr nach finanziellen Kriterien auswählen. Zudem erhöhte die Regierung nach und nach die staatlichen Subventionen und senkte gleichzeitig die Schulgebühren. Seit März dürfen staatlich subventionierte Bildungsstätten keine Gewinne mehr erzielen. Die Mehrausgaben werden aus den Mehreinnahmen einer im September 2014 in Kraft getretenen Steuerreform finanziert.

Im Januar – nach über 30 Jahren – immatrikulierten sich erstmals knapp 30.000 Studierende aus einkommensschwachen Familien für ein kostenloses Studium an 30 verschiedenen Universitäten. Im jetzt vorliegenden Reformgesetz für den höheren Bildungssektor soll die Ausweitung des kostenlosen Studiums an die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts gekoppelt werden. Für mehr sieht Bildungsministerin Adriana Delpiano keinen politischen Spielraum. „Die nächste Regierung muss sehen – und so wird das in der Gesetzesvorlage drinstehen –, woher dann die Mittel dafür kommen sollen“, so die Bildungsministerin. Jürgen Vogt