heute in Bremen
: „Flüchtlinge zweiter Klasse“

vortrag Jean Baeck über „sichere“ Herkunftsländer und Ignoranz gegenüber der Roma-Diskrimierung

Jean-Philipp Baeck

33, Redakteur der taz in Bremen. Er ist Mitglied einer Recherchegruppe, die seit 2013 über die Situation der Roma in Serbien, Mazedonien und im Kosovo informiert. Zuletzt erschien ein Bericht zu Mazedonien, zu bestellen unter doku@koop-bremen.de.

taz: Herr Baeck, inwiefern sind sichere Herkunftsländer ein Mythos?

Jean-Philipp Baeck: Dass diese Länder sicher wären, entspricht einfach nicht der Wirklichkeit. Diesen Status bekommen sie, weil es migrationspolitisch passt, und oft entgegen der in Länderberichten von Nichtregierungs-Organisationen geschilderten Lage. In Mazedonien steht die Einstufung sogar im Widerspruch zum Befund des EU-Fortschrittberichts.

Müsste das Etikett nicht folgenlos bleiben, weil es nichts am Anspruch auf Einzelfallprüfung ändert?

Müsste. Aber diese Pauschalierung untergräbt dieses Recht. Und sie trifft die Minderheiten, die in ihren Herkunftsländern tatsächlich verfolgt werden.

Das sind?

Was Mazedonien angeht, trifft es in erster Linie Roma. Und die werden, dafür habe ich im Land recherchiert, systematisch diskriminiert. Ihnen wird der Zugang zum Arbeitsmarkt versperrt, sie werden von der Polizei schikaniert und von der ärztlichen Versorgung bleiben sie ausgeschlossen.

Davon haben deutsche Gerichte aber auch vor dem Asylkompromiss nichts wissen wollen.

Dass die Anerkennungsquote auch vorher gering war, stimmt. Aber einerseits bestätigt diese Einstufung jetzt diese falsche Praxis. Andererseits ist es symbolisch ein Schlag ins Gesicht: Es bedeutet, dass die Roma als Flüchtlinge zweiter Klasse von vornherein von Integrationsmaßnahmen ausgeschlossen sind. Das ist unerträglich, zumal vor dem Hintergrund, dass sie fast alle Fälle von Verfolgung und Vernichtung durch die Deutschen in ihrer Familiengeschichte haben. Was hilft alles Gedenken, wenn man die Enkel der Opfer in Länder abschiebt, in denen sie verfolgt werden?

Deutschland müsste hier besonders sensibel agieren?

Ja. Man muss sagen, dass Deutschland aufgrund der NS-Vergangenheit eine besondere Verantwortung übernehmen müsste. Vor allem angesichts dessen, dass die Roma sich jetzt, das ist für die Community eher ungewöhnlich, zusammenschließen und gegen die Abschiebungen protestieren.

interview: bes

Vortrag „Mythos Sichere Herkunftsländer – Die Situation abgeschobener Roma in Serbien, Kosovo und Mazedonien“: 19.00 Uhr, in den Räumen des Sozialen Friedensdienst Bremen, Dammweg 18-20