Finanzexperte übers Schuldenaufkaufen: „Die Forderungen waren wertlos“

US-Komiker John Oliver hat Schulden im Wert von insgesamt 15 Millionen Dollar aufgekauft. Finanzexperte Tenhagen erklärt, wie das geht.

US-Komiker John Oliver

Kaufte die Schulden der kleinen Leute und zahlte dafür vergleichsweise wenig: US-Komiker John Oliver Foto: ap

taz: Herr Tenhagen, John Oliver sagt, er habe etwa einen halben Cent pro Dollar aufgekaufte Schulden gezahlt. Woher kommt der große Unterschied zwischen der Höhe der Forderung und dem Kaufpreis?

Hermann-Josef Tenhagen: Das misst sich am Wert der Forderung. Und der entsteht aus dem Wert dessen, was da ursprünglich verkauft wurde und der Frage, wie wahrscheinlich es ist, dass man das Geld zurückbekommt. Wenn der Schuldner mit seinem Einkommen unterhalb der Pfändungsfreigrenze liegt und das voraussichtlich auch immer tun wird, hat das Unternehmen kaum eine Chance. Wenn der nicht blöd ist, kriegen sie von dem das Geld nie.

Wenn jemand von einer Schuldnerberatung ordentlich beraten wird und die Schulden sind zu hoch als dass er die je zurückzahlen könnte, bekommen Sie das Geld auch nicht. Das heißt dann, dass die Forderung nicht besonders viel wert ist. Und eine Forderung, die nicht besonders viel wert ist, kann man dann versuchen, günstiger zu verkaufen, um überhaupt etwas Geld zu bekommen. Und die Leute, die die kaufen, können schauen, was sie damit anfangen können. Sie kennen das alles von der Börse. John Oliver hat also wahrscheinlich Forderungen aufgekauft, bei denen es ohnehin sehr unwahrscheinlich war, dass die Gläubiger ihr Geld zurückbekommen hätten.

Wäre der Unterschied in Deutschland genauso groß?

Das Aufkaufen gibt es in dieser Form in Deutschland gar nicht. Normalerweise wird das Inkassobüro nur beauftragt, das Geld für Unternehmen einzutreiben. Und das Inkassobüro schlägt dann Kosten drauf. Die können dann Rechnungen stellen wie eine Anwaltskanzlei. Dem nackten Mann kann man aber nicht in die Tasche greifen, wobei er so nackt sein muss, dass sein Einkommen unter der Pfändungsfreigrenze liegt.

Die liegt übrigens derzeit bei jemandem, der keine Unterhaltsverpflichtungen hat, bei 1.073,88 Euro. Und natürlich hat es auch Auswirkungen, wenn man eine Rechnung nicht begleicht. wenn man das einmal gemacht hat, bekommt man vom Otto-Versand nichts mehr oder nur noch gegen Vorkasse geliefert. Oder man kann es auch weitertreiben: Sozialbehörden sind besonders restriktiv bei der Auszahlung von flexiblen Hartz 4 Zahlungen, etwa bei Aufstockern. Die meisten von denen liegen nämlich unterhalb der Pfändungsfreigrenze, was bedeutet, das Geld, das sie zu viel auszahlen, nicht mehr eingetrieben werden kann.

Stimmt das Vorurteil, dass der Großteil der Schulden in den ärmeren Milieus liegt?

Nein, nicht wenn der Großteil der Schulden die Geldsumme meint. Es sind aber anteilig mehr Menschen in ärmeren Milieus überschuldet. Das Hauptrisiko, sich heutzutage zu verschulden, sind Arbeitslosigkeit und Scheidung. Viele Alleinerziehende fallen also auch in diese Gruppe. Viele verschulden sich dabei eben darüber, dass sie ihre Rechnungen nicht rechtzeitig bezahlen und dann immer mehr Gläubiger bedienen müssen.

Hermann-Josef Tenhagen (53) ist Wirtschaftsjournalist und Chefredakteur des Verbrauchermagazins Finanztip. Er ist außerdem Mitglied im Aufsichtsrat der taz-Genossenschaft

Wäre es möglich, in Deutschland ein Inkassobüro zu gründen und die Schulden armer Menschen aufzukaufen?

Das können Sie auch privatrechtlich. Wenn jemand über die Schuldnerberatung mit seinen Gläubigern aushandelt, dass er nur ein Drittel seiner Schulden begleichen muss, können Sie das für ihn übernehmen. Trotzdem bleibt er verpflichtet, wenn er über die nächsten Jahre mehr verdient, das Geld nicht einfach zu verprassen, sondern zurück zu zahlen. Außerdem hilft das Leuten wenig, die in einer strukturellen Situation stecken. Gemäß dem Sprichwort: Gib einem Menschen einen Fisch und du ernährst ihn einen Tag, lehre in zu fischen und du ernährst ihn ein Leben lang.

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