Ungleiche Kräfte

Die Städte Straßburg und Kehl unterschreiben heute den Vertrag über einen französisch-deutschen Eurodistrikt

FREIBURG taz ■ Grenzüberschreitende Projekte sind am Oberrhein nichts Neues. Der „Eurodistrikt Straßburg-Kehl“ indes sollte alles bisher da Gewesene in den Schatten stellen. Von einer neuen Dimension der binationalen Zusammenarbeit war die Rede. Einen Bezirk mit außerstaatlichem Sonderstatus à la Washington D.C. stellte sich gar Straßburgs Stadtgemeinschaftspräsident vor. Übrig geblieben ist davon nicht viel. Doch immerhin unterzeichnen die Partner heute einen Vertrag.

Von Anfang an waren die Kräfte im ersten deutsch-französischen Eurodistrikt ungleich verteilt. Auf der einen Seite steht Straßburg, die Europahauptstadt mit 450.000 Menschen. Jenseits der Grenze: Kehl, eine Kleinstadt mit gerade 30.000 Einwohnern. „Die Straßburger Stadtspitze sieht Kehl als Anhängsel“, sagte Straßburgs Stadträtin Yveline Moeglen bereits Anfang 2004. Den Franzosen ging es vor allem darum, ihre Stellung als Europastadt zu stärken. Die Deutschen indes träumten von Erleichterungen im Alltag: von einem Ende lästiger Verwaltungsgänge, von gemeinsamer Polizei und Feuerwehr, von S-Bahnen, die nicht an der Grenze enden.

Herausgekommen ist jetzt ein Bündnis ohne klare Struktur und ohne Budget. Kritiker befürchten daher, dass der europäische Gedanke schnell auf der Strecke bleibt. Bestes Beispiel ist die Stahlbetonbrücke über den Rhein, die für die erste grenzüberschreitende Landesgartenschau gebaut wurde. Diese ging vor einem Jahr zu Ende, bis heute jedoch streiten sich die beiden Städte, wer die Mehrkosten für die Brücke übernimmt.

Doch auch neben der Gartenschau gibt es bereits gemeinsame Projekte. Kehl hat seit Neuestem ein deutsch-französisches Polizeizentrum, ein binationales Feuerwehrboot fährt auf dem Rhein. Es gibt eine europäische Beratungsstelle für Verbraucher und eine bessere Zusammenarbeit im Gesundheitswesen. In Kürze wollen die beiden Länder eine gemeinsame Jobvermittlung einrichten. Der Wille ist auf beiden Seiten da.

Immerhin ist die Kooperation auch von oberster Stelle gewünscht. Beim 40. Jahrestag des Elysée-Vertrags im Januar 2003 hatten sich die französische und die deutsche Regierung die Region Straßburg-Kehl als Modelldistrikt für eine bessere grenzüberschreitende Zusammenarbeit ausgeguckt. Weitere Eurodistrikte sollen folgen. Das konkrete Zusammengehen überließen Paris und Berlin den beiden Kommunen. Diese sind jetzt froh, dass nach vielen Querelen zumindest der Vertrag unterzeichnet wird. BEATE BEULE