Herr Beisheim kauft sich eine Schule

Der Gründer und Anteilseigner des Metro-Konzerns stiftet einem staatlichen Gymnasium zehn Millionen Euro. Bedingung: Die Anstalt soll fortan seinen Namen tragen. Schüler und Eltern im bayerischen Tegernsee sind von dem Deal nicht überzeugt

AUS MÜNCHEN MAX HÄGLER

Es ist wohl die schönste Schule der Republik und bald vielleicht auch die reichste. Das staatliche Gymnasium Tegernsee soll über eine Stiftung zehn Millionen Euro bekommen – und dafür den Namen des Spenders annehmen: Otto Beisheim, Gründer des Metro-Konzerns. Doch ganz glücklich ist man im Schlossgymnasium nicht. Zumindest bei der Schulleitung, einigen Schülern und Eltern regen sich Zweifel, ob der Gründer des drittgrößten Handelskonzerns der Welt ein geeignetes Vorbild für die kommenden Schülergenerationen ist.

„Das Einzige, worin Beisheim ein Vorbild sein kann, ist im Geldverdienen“, meint etwa Johannes Pflügel, der in diesem Jahr am Tegernsee sein Abitur gemacht hat. Die „Geiz ist geil“-Mentalität der Unternehmensgruppe stehe im Gegensatz zu christlichen und demokratischen Werten, beklagt Pflügel. Das Geschäftsgebaren der türkischen Metro-Filialen erinnere „eher an die soziale Kälte des Frühkapitalismus als an die soziale Marktwirtschaft Ludwig Erhards“.

Zwar ist Beisheim seit dem Börsengang der Metro-Group 1996 nicht mehr Alleinherrscher über das Handelsimperium, zu dem unter anderem die Ketten Metro, Kaufhof, Saturn und Praktiker gehören. Doch der mittlerweile 82-Jährige hat nicht nur ein geschätztes Vermögen von drei Milliarden Euro, er hält zudem weiterhin einen Aktienanteil von gut 18 Prozent – und hat damit ein gewichtiges Wörtchen mitzureden bei der Unternehmensführung. Und die wird in der Tat immer wieder kritisiert: Das Internetportal Labournet kritisiert etwa, in türkischen Metro-Märkten gehe die Unterdrückung von Gewerkschaftern „bis hin zur Verfolgung und Bedrohung der Betroffenen“. Und nach Tarifverhandlungen in Ostthüringen spricht die Gewerkschaft Ver.di von „Wild-West-Methoden“. Aber auch an der persönlichen Eignung Beisheims zweifeln manche. So hat der Medienwissenschaftler Michael Radtke – inzwischen Chefredakteur der Abendzeitung – Indizien für eine unrühmliche Vergangenheit als SS-Scharführer gefunden.

Der Schuldirektor kennt diese Vorwürfe – doch für ihn gilt die Unschuldsvermutung: „Es geht mir darum, dass man den Aspekt des Stiftens sieht“, sagte Werner Oberholzner der taz. „Sollte sich eine sehr dunkle Stelle finden, werden wir zumindest sehr intensiv über die ganze Sache nachdenken.“

Auch Elternbeirat Gerd Buziek, dessen Tochter die sechste Klasse des Schlossgymnasiums besucht, hofft auch mehr Nachdenken: „Vielen Eltern sagt der Name Beisheim überhaupt nichts.“ Doch selbst das Elterngremium wurde vor der Spendenaktion Anfang August übergangen. „Das war eine Hauruck-Aktion! Man ahnte wohl das politische Konfliktpotenzial.“ Für Buziek – Hochschullehrer an der Uni Hannover und Manager eines bayerischen Software-Unternehmens – ist „Vorsicht geboten“ bei Beisheim: „Familien wie die Flicks und die Krupps haben sich inzwischen zur NS-Vergangenheit geäußert. Beisheim nicht.“ Es sei nicht akzeptabel, dass durch großzügige Geldgeschenke andere Dinge in Vergessenheit gerieten. „Es mangelt an einem Wertebewusstsein – das schließt die Lehrerschaft ausdrücklich mit ein“, beklagt er.

Gemeinsam mit seinen Beiratskollegen will Buziek nun mit Beisheim persönlich sprechen. „Vorher gibt es von uns keine Zustimmung zur Umbenennung.“ Auch im bayerischen Kultusministerium ist man unsicher geworden, ob die anfängliche Freude über das „herausragende Beispiel bürgerlichen Engagements“ allzu voreilig war. Die Prüfung solle jetzt nachgeholt werden, sagte Sprecher Harald Niedermair der taz: „Wir sind durchaus selbstkritisch und nehmen den Vorgang zum Anlass, hier genau nachzufragen.“ Von der Verbindung zwischen den zehn Millionen Euro und einer Umbenennung wusste der Sprecher nichts. „Falls ein Antrag kommt, werden wir das detailliert überprüfen.“

Je nach Ergebnis könnte das schnelle Geld dann wieder ganz schnell verpuffen: Ist doch im Stiftungsvertrag als Begünstigter durchweg das Otto-Beisheim-Gymnasium genannt und nicht das schnöde „Gymnasium Tegernsee“. Doch wer wird begünstigt, wenn es gar kein Otto-Beisheim-Gymnasium gibt? Die gleichnamige Stiftung des Metro-Gründers wollte sich zu dem Streit trotz mehrfacher Nachfrage nicht äußern. Wegen Terminschwierigkeiten.