Klagerecht über kanadische Zweigstellen?

Investoren Kritiker: US-Konzerne können dank Ceta auch ohne TTIP klagen. Das Wirtschaftsministerium sieht das anders

BERLIN taz | Die im geplanten Handelsabkommen TTIP vorgesehenen Klagemöglichkeiten für Investoren stoßen auf eine breite Ablehnung. Diese Klagemöglichkeiten könnten durch die Hintertür auch ohne TTIP kommen – wenn das europäisch-kanadische Schwesterabkommen Ceta in Kraft tritt, warnen Kritiker. Der umstrittene Investorenschutz ermöglicht Unternehmen aus dem jeweils anderen Wirtschaftsraum, Staaten vor speziellen Gerichten auf Schadensersatz in Milliardenhöhe zu verklagen, wenn staatliche Maßnahmen etwa zum Umwelt- oder Gesundheitsschutz ihre Gewinnerwartungen beeinträchtigen. Prominentestes Beispiel dafür ist das von Vattenfall angestrengte Verfahren gegen Deutschland wegen des Atomausstiegs.

„Mit diesen Klagemöglichkeiten werden europäische Gesetze, Verwaltungshandeln und Gerichtsentscheidungen ausgehebelt“, sagt Peter Fuchs von der Organisation PowerShift, die gemeinsam mit Campact eine Analyse des Investitionsschutzkapitels im Ceta-Vertrag veröffentlicht hat.

Zwar haben die EU und Kanada bei Ceta die ursprünglich vorgesehenen, mit Anwälten besetzten privaten Schiedsgerichte gegen ein Gericht mit Berufsrichtern ausgetauscht. Auch wurde eine Berufungsinstanz eingeführt. Doch das seien nur kosmetischen Änderungen, sagen Kritiker.

Die EU will dieses Modell auch bei TTIP durchsetzen. Ob die USA das mitmachen, ist offen. Selbst wenn es gelänge, den Investitionsschutz komplett aus TTIP auszuklammern, hätten US-Unternehmen über Ceta die Möglichkeit, zu klagen.

Laut der Studie von PowerShift und Campact haben 81 Prozent der in Europa tätigen US-Firmen Tochtergesellschaften in Kanada. „Durch Ceta würde die Möglichkeit von Schadensersatzklagen enorm ausgeweitet und das Klagerisiko für die Staaten deutlich steigen“, sagt Fuchs. Das Bundeswirtschaftsministerium weist das zurück. Durch Ceta werde es nicht zu mehr Klagen kommen. Ceta erlaube nur Klagen kanadischer Unternehmen, die in Kanada eine substanzielle Geschäftstätigkeit haben, sagte ein Sprecher. Rechtlich unselbstständige Zweigniederlassungen US-amerikanischer Unternehmen in Kanada seien nicht klageberechtigt.

Noch in diesem Jahr soll das EU-Parlament Ceta ratifizieren. Kommende Woche startet das europaweite Bündnis Stopp-TTIP in Brüssel eine Kampagne dagegen. Anja Krüger