Bescheidener Auftritt

Klassenerhalt Eintracht Frankfurt geht nach dem Erfolg in der Relegation über den 1. FC Nürnberg als Erstligist in die Zukunft. Nach einer miesen Saison wartet viel Arbeit auf den neuen Klubboss Freddy Bobic

Geschafft: Frankfurts Trainer Niko Kovac und sein Team nehmen die Huldigungen der Fans entgegen Foto: reuters

aus nürnberg und frankfurt Frank Hellmann

Vom Fenster in seinem Büro in der Frankfurter Arena blickt Heribert Bruchhagen auf den sattgrünen Rasen und die Plastiksitze mit dem weißen Adler-Emblem. Es könnte schlechtere Orte geben, an denen der scheidende Vorstandsboss von Eintracht Frankfurt die nächsten Tage seinen Nachfolger Fredi Bobic einarbeitet, den neuen Sportvorstand. Wenn Bruchhagen nur ein Bruchteil jenes Überschwangs rettet, der ihn nach der Rettung in der Relegation umtrieb, dann könnte es der freudvollste Stabwechsel der Bundesliga-Historie werden.

Der 1:0-Erfolg beim 1. FC Nürnberg war gerade besiegelt, da eilte der 67-Jährige auf den Rasen, um seinen Zeugwart Franco Lionti zu umarmen. Dann streifte er sich ein T-Shirt mit der Aufschrift „Auf Euch“ über, herzte Sportdirektor Bruno Hübner, um schließlich die Radioreporterin Sonja Pahl kurz zu küssen. Sagen konnte er nämlich zunächst nicht viel. „Meine Stimme ist weg.“

In seiner gekrächzten Danksagung an alle und jeden schloss er sogar Journalisten mit ein – was bei ihm eigentlich auf dem Index steht. Eingedenk des abgewendeten Horrorszenarios Abstiegs übermannten den altgedienten Funktionär dann aber doch die ganz großen Gefühle: „Es wäre fatal gewesen, wenn ich einen Zweitligisten übergeben hätte.“

Historisches sei geschafft, befand der Chef. Die Eintracht verkörpere schließlich Kontinuität und Stabilität: „Ein Abstieg wäre ungerecht gewesen, weil der Verein völlig intakt ist.“ Wirtschaftlich gilt das fraglos, sportlich eingeschränkt, strukturell eher nicht.

Es war ja Bruchhagen, der empfahl, auf Teamwork zu achten. Und der den Wunsch nach einem „Schuss Bescheidenheit“ äußerte. Ein Wink mit dem Zaunpfahl an Vorstandskollege Axel Hellmann, Aufsichtsratsboss Wolfgang Steubing oder Präsident Peter Fischer, die gern ihre Interessen mit Indiskretionen stützen und den Klub lieber als Anwärter für die Europa League denn als Abstiegskandidat der Bundesliga verorten.

„Frankfurt ist ein großer Klub, der mehr verdient als die Relegation“

Eintracht-Trainer Niko Kovac

Immerhin wertete nun auch Hellmann das Happy End demütig als „ein Geschenk des Himmels“. Irgendwie mit höheren Mächten hatte es wohl auch zu tun, dass ausgerechnet Haris Seferovic das Siegtor erzielte (66.). „Es gibt doch noch einen Gott“, stammelte der Schweizer. Er dankte zuerst seinem Trainer Niko Kovac, der in allen Krisenzeiten zu ihm stand. Bei Vorgänger Armin Veh geriet der Angreifer wegen seiner Ego-Trips ins Abseits, seinen Facebook-Account musste der 24-Jährige wegen wüster Beschimpfungen sperren – und nun diese Auferstehung. „Haris ist ein Spieler, der polarisiert. Aber er ist einer, mit dem ich in Anführungszeichen in den Krieg ziehe“, erklärte Kovac.

Kovac war gleichwohl weit davon entfernt war, die Versäumnisse der Vergangenheit unter den Tisch zu kehren. „Eintracht ist ein großer Klub, der mehr verdient als die Relegation. Wir müssen einiges im Kader verändern, damit so etwas nicht wieder passiert“, sagte der 44-Jährige im strengen Tonfall. Die „Mission impossible“ (O-Ton) hatte ihn völlig geschafft. „Von 77 Tagen war ich vielleicht sieben Tage bei der Familie.“

Während die Spieler sofort trainingsfrei bekamen, will das Trainerteam noch „zwei, drei Tage“ (Kovac) für zukünftige Weichenstellungen zusammenbleiben, wobei der neue Sportvorstand ein gehöriges Wörtchen mitreden dürfte. Kovac und Bobic schätzen sich aus der Zeit bei Hertha BSC. Welche Rolle in diesem Konstrukt der bisherige Sportchef Hübner einnehmen soll, scheint diffus. Nur für Bruchhagen ist mit dem Klassenerhalt wirklich alles in Eintracht geregelt.