Pikante Begegnung

PROTEST Roma demonstrieren am Roma-Denkmal gegen ihre Abschiebung – bis die Polizei kommt

Am Ende will ­niemand für die Räumung verantwortlich sein

BERLIN taz | „Das ist unsere allerletzte Chance“, sagt Isen Asanovski. Er steht am Montagmorgen vor dem Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma in Berlin. Es ist ein Denkmal für seine Vorfahren, doch betreten darf es der 42-jährige Rom aus Mazedonien nicht. Rund 20 Polizeibeamte haben sich um das Denkmal postiert und kontrollieren den Eingang. Hinein darf nur, wer des politischen Aktivismus unverdächtig ist.

Asanovski, der zur Initiative Romano Jekipe Ano Hamburg (Vereinigte Roma in Hamburg) gehört, war am Sonntagnachmittag zusammen mit etwa 60 weiteren Roma aus der Hansestadt nach Berlin gereist. Sie wollten das Mahnmal besetzen, um so gegen die ihnen drohende Abschiebung zu protestieren.

In Hamburg hatte die Initiative im letzten Jahr für Aufsehen gesorgt, als Betroffene mit dem Michel ein Wahrzeichen der Stadt besetzten. Ihre Perspektive in Deutschland hat sich seitdem nicht verbessert: „Fast alle von uns haben bereits ihre Abschiebebescheide erhalten“, sagt Asanovski. Der Protest in Berlin sei der Versuch, zumindest für die rund 60 Beteiligten die Abschiebung abzuwenden.

Mit Koffern und Reisetaschen hatten die Roma am Sonntagnachmittag das Mahnmal betreten, auf der Wiese rund um das kreisrunde Wasserbecken in der Mitte entrollten sie ihre Transparente. „Für Roma gibt es keine sicheren Herkunftsländer“, steht dort.

Insbesondere seitdem die Westbalkanstaaten im Jahr 2015 durch Bundestag und Bundesrat zu solch „sicheren Herkunftsländern“ erklärt wurden, werden Asylanträge von Menschen aus diesen Ländern meist im Schnellverfahren abgelehnt.

Eigentlich wollten die Roma an diesem Sonntag lange bleiben, mindestens bis zum nächsten Morgen. Doch daraus wurde nichts. Um kurz nach Mitternacht räumte die Polizei die Kundgebung. Laut Augenzeugen betraten die Beamten das Gelände in voller Montur, rissen bei der Räumung auch Eltern und ihre Kinder auseinander.

Zuvor waren mehrstündige Verhandlungen zwischen der Polizei, den BesetzerInnen und der für das Denkmal zuständigen Stiftung gescheitert. Uwe Neumärker, Direktor der Stiftung, sagte am Montag: „Wir haben Verständnis gezeigt, aber auch deutlich gemacht, dass der Protest woanders stattfinden muss, weil die Würde dieses Orts sonst gestört wird.“

Die Stiftung habe sich aber „ganz bewusst entschieden, keine Anzeige zu stellen“, sagt später eine Sprecherin. Die Polizei Berlin kann das nicht bestätigen. Dort heißt es: Am Sonntagabend, 18 Uhr, habe die Stiftung Anzeige wegen Hausfriedensbruchs gestellt. Diese sei Grundlage der Räumung gewesen.

Malene Gürgen