Oettinger kündigt harte Linie an

AUSTERITÄT Neue spanische Regierung kann nicht auf Nachsicht bei Neuverschuldung hoffen

BERLIN dpa/taz | Ungewöhnlich offen hat EU-Kommissar Günther Oettinger das Motiv für die Milde der Kommission im Defizitverfahren gegen Spanien benannt: „Welche Schlussfolgerungen wir ziehen, muss auch politisch bewertet werden“, sagte er dem Spiegel. „Wenn die Kommission die Haushaltskontrolle streng nach Recht und Gesetz durchführt, verschafft sie euroskeptischen, rechts- oder linkspopulistischen Parteien in vielen Mitgliedsländern Auftrieb.“

Spanien brauche endlich eine handlungsfähige Regierung, so Oettinger weiter. Im Juni stehen dort Wahlen an. „Danach beugen wir uns erneut über die Zahlen und werden unsere Schlussfolgerungen ziehen“, sagte der EU-Kommissar.

Die Europäische Kommission hatte am Mittwoch darauf verzichtet, die laufenden Strafverfahren gegen die Defizitsünder Spanien und Portugal zu verschärfen. Die Behörde will ihnen jeweils ein Extrajahr zur Budgetsanierung einräumen. Beide Länder verstießen 2015 gegen die Brüsseler Vorgaben, nach denen das Haushaltsdefizit nicht mehr als drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen darf. In Spanien liegt die Arbeitslosigkeit bei über 20 Prozent.

In Madrid ist Premier Mariano Rajoy von der konservativen Poder Popular (PP) geschäftsmäßig weiter im Amt, nachdem es der Opposition nach den Dezemberwahlen nicht gelang, sich auf eine gemeinsame Regierung zu einigen. Als eine der aussichtsreichsten Parteien bei den anstehenden Neuwahlen gilt die linke Podemos, die sich mit der Vereinigten Linken zur Unidos Podemos zusammengeschlossen hat. Sie lehnt die Austeritätspolitik der EU grundsätzlich ab. Sollte es ihr nach den Neuwahlen gelingen, eine Koalitionsregierung mit den Sozialisten zu bilden, drohen ihr damit Sanktionen aus Brüssel.

Martin Reeh