Baugruppe Wer mit anderen ein Haus baut, schafft sich ein Eigenheim, muss aber alles mit den anderen abstimmen. Bis zur Farbe der Fensterrahmen. 10 Regeln, wie es trotzdem klappen kann
: Unser Haus, meine Utopie

Aus Berlin Susanne Lang
(Text) und Michael Szyszka (Illustrationen)

Um den Bau ihres Hauses selbst in die Hand zu nehmen, schließen sich immer mehr Menschen in Baugruppen zusammen. Sie wollen ihren Wohnraum selbst planen und finanzieren.

Die einen können sich eine Eigentumswohnung anders nicht leisten, den anderen geht es ums Mitbestimmen. Da in einer Baugemeinschaft alle gleichberechtigt sind, bedeutet das: Alle müssen sich mit den Tücken der Basisdemokratie herumschlagen. Am Anfang steht der Traum vom Wohnen im Kollektiv. Am Ende oft ein Streit über die Farbe des Gartenzauns.

Wie kann das Projekt trotzdem gelingen? Wir haben drei Gruppen in unterschiedlichen Phasen des Bauens begleitet.

1908

Das erste Berliner Einküchenhaus entsteht. Eine Großküche im Keller versorgt die Mieter mit Essen, Frauen sind vom Herd befreit

Phase eins:

Ein Grundstück suchen

Noch wohnen Geraldine Abbate und ihr Lebensgefährte Ulrich Fuchs in einer Altbauwohnung in Berlin-Kreuzberg. Sie haben eine Tochter, in ein paar Monaten werden sie zu viert sein. Auf Dauer ist ihre Wohnung zu klein. Wegen der niedrigen Zinsen überlegen sie, nicht mehr zu mieten, sondern selbst Eigentümer zu werden.

Vielen ihrer Freunde geht es ähnlich. Zu sechst sitzen sie an diesem Abend im Wohnzimmer um einen großen Holztisch, an der Wand hängen Bilder erfolgreicher Baugruppen-Projekte. Sie wollen sich zu einer Baugemeinschaft zusammenschließen. Das Wichtigste aber fehlt ihnen noch: ein Grundstück. Nicht zu groß, nicht zu teuer, nicht zu weit von der Berliner Innenstadt entfernt.

Bundesweit gibt es immer mehr Baugemeinschaften. 2015 sind mindestens 940 Projekte mit 12.700 Wohnungen entstanden, wie eine Umfrage des Wohnungsforschungsinstituts Empirica in 49 Kommunen ergeben hat. Die meisten davon in Berlin, Hamburg, Freiburg und Tübingen. Solche Gemeinschaften demokratisieren das Bauwesen.

Regel 1Verabschieden Sie sich von Ihrem Traumstandort

Vor allem in Baden-Württemberg arbeiten kommunale Stadtentwickler eng mit ihnen zusammen und vergeben Grundstücke nicht mehr automatisch an den Meistbietenden. Eine festgelegte Fläche geht an Gruppen, die ein schlüssiges Konzept erarbeitet haben, das ins soziale Stadtbild passt.

Die Kehrseite der alternativen Baukultur: Demokratie ist anstrengend. Die Mitglieder einer Gruppe müssen ihre persönlichen Interessen mit denen des Kollektivs abstimmen. Am Ende geht es nicht nur um Ideale, um eine Wohnutopie, sondern auch um viel Geld.

Geraldine Abbate und ihr Freundeskreis stehen bei der Grundstücksuche vor der ersten Hürde: der sehr hohe Quadratmeterpreis. Auch in den Außenbezirken liegt er bei mindestens 3.000 Euro.

Vor gut einem Jahr hat man ihnen ein realistisches Angebot gemacht: „In Adlershof“, sagt die 33-Jährige. „Damals konnten wir uns das nicht vorstellen. Aber jetzt wissen wir, dass die Innenstadtbezirke von anderen Baugruppen abgegrast sind.“ Bliebe ein Kompromiss, den viele Familien schon gemacht haben: Pankow.

1934

Im Londoner Isokon Building erledigen Dienstleister unangenehme Alltagsaufgaben. Das Haus wird zu einem intellektuellen Zentrum

Das grenzt an Prenzlauer Berg an. Immerhin. Ein Grundstück wäre dort vielleicht noch zu haben. „Pankow?“, fragt eine Frau am Tisch. „Für uns ist Pankow schwierig.“ Eine andere überlegt: „Wir sollten mal hinfahren, da gibt es mittlerweile ein ganz charmantes Kiez­gefühl.“ Die anderen nicken. ­Abbates Lebensgefährte fasst zusammen, fürs Protokoll: „Wir schauen uns das mal an.“

Draußen vor dem Haus ziehen Touristen von Kneipe zu Kneipe und feiern bis in den nächsten Morgen, wenn die Architekten, Ärztinnen und jungen Eltern mit Wohnungswunsch wieder arbeiten gehen.

Ein Haus gemeinsam zu bauen bedeutet mehr, als nur Wohnraum zu schaffen: Es markiert den Abschied von einem vertrauten, provisorischen Lebensgefühl. Die Grundstückssuche gibt einen Vorgeschmack, worauf man sich in einer Baugemeinschaft einlässt: Verantwortung für etwas Bleibendes. Sich festlegen. Kompromisse eingehen.

Phase zwei:

Regel 2Machen Sie es nicht immer allen recht

Bald rollen die Bagger

Die Baugemeinschaft Newton ist schon weiter. Sie baut im Berliner Bezirk Adlershof. Drei Häuser mit 39 Wohneinheiten auf gut 3.000 Quadratmetern, barrierefrei, generationenübergreifend und mit ambitioniertem Energiekonzept.

An einem Abend im Oktober 2015 trifft sich die Gruppe in einem Tagungsraum der Gesellschaft für angewandte Informatik. Draußen balancieren Baukräne im Ruhemodus ihre Lastenarme über den vielen Grünflächen, die demnächst bebaut werden sollen. Es riecht nach Kunststoff. Die Anwesenden nehmen an weißen Tischen Platz, die in V-Form aufgestellt sind. Es ist 18.30 Uhr, die Sitzung beginnt. „Liebe Mitgesellschafter und liebe Gäste, ich darf euch zur 28. Gesellschafterversammlung begrüßen“, sagt Regina Plöschies, eine der Geschäftsführerinnen der Baugruppe. Sie führt durch die Sitzung, auf der Entscheidungen anstehen, ohne die die Bauarbeiten nicht beginnen können. „Bevor wir in die Tagungsordnung einsteigen, die unangenehmste Frage des Tages: Wir brauchen einen Protokollschreiber.“ Ein ­Raunen geht durch den Raum, eine Frau kichert. Dann meldet sich jemand: „Ich schreibe das. Bevor wir lange darüber diskutieren.“

Die meisten Mitglieder der Newton-Gruppe haben sich auf diesen Pragmatismus verständigt. „Wir sind kein Diskutierklub“, so beschreibt Rosi Barry die vorherrschende Haltung. Die 57-jährige gebürtige Berlinerin lebte knapp 30 Jahre lang im Ausland, zuletzt in Irland. Nach dem plötzlichen Tod ihres Mannes beschloss sie, nach Berlin zurückzukehren und das Haus in Irland zu verkaufen.

1981

Linke Gruppen besetzen in der Hamburger Hafenstraße Häuser. In den 90ern gründet sich eine Genossenschaft, die die Häuser kauft

Das Geld will sie nun gut investieren. Dafür lässt sie sich auf einen Prozess ein, dessen Ausgang niemand vorhersagen kann.

„Dass am Ende eine solidarische Hausgemeinschaft entsteht, kann niemand garantieren“, sagt eine erfahrene Projektsteuerin. Sie berät die Baugemeinschaft und vermittelt zwischen ihr und den Architekten. In dieser Position hat sie schon viele erfolgreiche Projekte realisiert, aber auch einige Abgründe gesehen, zwischenmenschliche, existenzielle, rechtliche. Ihre Arbeit lebt von Vertrauen, daher will sie nicht mit ihrem Namen in der Öffentlichkeit stehen. Wir nennen sie Anna Müller.

„Es gibt ein paar Anzeichen, die schon früh verraten, ob es gut läuft oder nicht“, sagt Müller. Und erzählt die Geschichte einer Gruppe, die bereits ein Grundstück gekauft hatte. Die Mitglieder trafen sich, saßen lange zusammen und zeichneten ihre Wunschwohnungen auf ein großes Papier. Zehn Zimmer wären toll! So eine Wohnung findet man sonst nirgends!

Kaum waren die Zimmer eingezeichnet, gab es einen Aufschrei: „So ein langer Flur? Das sieht schlimm aus!“, sagte einer. Sie zeichneten wieder, tagten wieder, schließlich sollte jeder seine Traumwohnung bekommen. Warum sonst wird man Mitglied einer Baugemeinschaft?

Regel 3Basisdemokratie funktioniert nicht ohne Bürokraten

„Basisdemokratie hat ihre Grenzen“, sagt Müller. „Wenn man es allen recht machen will, gibt es kein Haus.“

Rosi Barry und die Newtianer, wie sie sich nennen, haben eine längere Durststrecke hinter sich. Einige Mitglieder hatten viel Geld für das Grundstück vorgeschossen, doch dann blieben neue Mitstreiter aus. Wenn Barry daran ­zurückdenkt, winkt sie gleich ab. Gar nicht mehr darüber nachdenken! Jetzt geht es vorwärts. Mittlerweile sind über 80 Prozent der Wohnungen belegt. Zur Sitzung heute sind wieder neue Beitrittswillige gekommen. Das Kapital reicht, um alte Mitglieder auszulösen und endlich mit den Bauarbeiten zu beginnen.

Regina Plöschies, die Geschäftsführerin der Newtianer, verteilt Papier und eine Anwesenheitsliste. Jeder soll auch ein Kreuz beim Feld „Stimmberechtigt“ machen. Sie liest die Tagesordnung vor, lässt in einer Abstimmung das Protokoll der letzten Sitzung bestätigen und leitet die Vorstellungsrunde ein.

1996

In Tübingen entsteht das Französische Viertel. Stadtentwickler beziehen Baugruppen erstmals in die Planung eines Quartiers ein

Gut zwanzig Leute sind gekommen. Eine Partei nach der anderen sagt „Hallo“ und erklärt, warum sie sich im Newton-Projekt engagiert. Bis ein zartes, aber bestimmtes Stimmchen erklingt.

„Moment, ich will nicht spitzfindig sein“, setzt eine Frau mit Pagenkopf an und wendet sich an ein Paar, das neu ist: „Aber darf ich Ihnen etwas sagen? Sie dürfen nur eine Stimme bei den Stimmberechtigungen ankreuzen. Pro Wohnung, nicht pro Person.“ Gelächter. Gemurmel. „Das ­wussten wir nicht“, sagt der Mann. „Dann wissen Sie es jetzt.“

Basisdemokratie funktioniert nicht ohne formale Regeln, deren Einhaltung zur Not von pedantischeren Mitstreitern eingefordert werden muss. Wer das uncool findet, wird es in einer Baugemeinschaft schwer haben. Bauen in der Gruppe ist nicht nur ein romantisches soziales Abenteuer. „Es ist auch ein knallhartes Geschäft“, sagt die Projektsteuerin Müller.

Regel 4Eskalieren Sie früh – nur so lernen Sie sich kennen

Viele der jüngeren Bauherren halten es nicht aus, wenn etwas schiefläuft. „Sie sind die Photoshop-Ästhetik der Computerwelt gewohnt“, sagt Müller und erinnert sich an einen Interessenten: „Ein junger Mann, intelligent und sehr nett. Aber hoch nervös.

Als der Rohbau stand, hielt er die Ungewissheit nicht aus und besuchte die Baustelle.“ Obwohl sie ihm abgeraten hatte. Hier war ein Kabel, das komisch aussah. Und da ein Loch in der Wand. Der Mann bekam Panik. „Etwa alle sechs Wochen mussten wir ein Trostgespräch führen, weil er durchgedreht ist“, erzählt Müller. „Ich habe ihm immer wieder gesagt: Es passieren Fehler, aber wir haben die Architekten verpflichtet, am Ende eine mängelfreie Wohnung zu übergeben.“ Während des Prozesses darf es Fehler geben. Und so ein Prozess dauert lange, etwa drei bis fünf Jahre.

Bei den Newtianern in Adlershof steht gute zwei Stunden nach der Begrüßung ein letzter Punkt der Tagesordnung an. Elftens: Verschiedenes.

Regel 5Schön ist, was die Mehrheit nicht hässlich findet

Ein Ehepaar hat Fragen gesammelt, über die noch diskutiert werden muss. Erstens: die Frischluftzufuhr. „Ist es möglich, im Sommer bei tropischen Nächten warme Außenluft abgekühlt in die Wohnung einzuleiten?“, liest ein Mann von einem Zettel ab. „Nein, ist es nicht!“, sagt Regina Plöschies und redet einige Minuten über die Funktionsweise von Plus­energie- und Passivhäusern. Am Ende läuft es auf die Anweisung hinaus: tagsüber möglichst wenig Luftaustausch und nachts die Fenster aufreißen.

Rosi Barry seufzt. „Regina, du weißt, ich brauche aus gesundheitlichen Gründen kühle Luft. Ich möchte keine Klimaanlage, aber mir ist extrem wichtig, dass wir die 22 Grad Raumtemperatur, die uns zugesagt wurden, auch garantieren können.“ Im Raum wird es unruhig. Die Mitglieder sind stolz auf ihr Energiekonzept. „Schwitzen für das Weltklima“, sagt einer und lacht. Alle müssen sich einschränken, vielleicht sogar Gewohnheiten ändern. Wenn einer falsch lüftet, heißt es plötzlich „Frieren für den Mitbewohner“.

Solidarität ist mehr als Partys im Gemeinschaftsraum und ein Yoga-Kurs für alle. In Tübingen etwa geht sie oft weiter als in vielen Berliner Baugruppen, deren Mitglieder meistens aus ähnlichen Milieus stammen. Eine Baugemeinschaft dort hat sich für einen Sozialtransfer entschieden, sodass Mitglieder aus verschiedenen Schichten zu Wohnungseigentümern werden können. Eine Drittellösung: hochpreisige Wohnungen, solche für mittlere Einkommen und ein Drittel Sozialwohnungen. Leute mit viel Geld unterstützen über ein Umlageverfahren zum Beispiel Flüchtlinge.

Regel 6Bändigen Sie in der Gruppe die üblichen 10 Prozent

Bei den Newtianern in Berlin Adlershof lässt sich die Frage nach der Kühlung an diesem Abend nicht klären. „Wir müssen uns informieren“, sagt Geschäftsführerin Plöschies. Im besten Fall soll das Haus einen eigenen Energiekreislauf haben und autark von anderen Stromquellen sein. Um wirklich mitreden zu können, braucht jedes Mitglied ein gewisses Maß an Fachwissen. Entscheiden heißt auch, sich mit trockenen Details zu befassen.

Phase drei:

Regel 7Die eigene Realität ist nicht automatisch die Wahrheit

Miteinander leben

Gunda Amat Amoros wohnt seit drei Jahren mit ihren beiden Kindern und ihrem Mann in einer Baugemeinschaftswohnung im Berliner Bezirk Treptow. 150 Quadratmeter auf drei Ebenen, das hätte die Familie woanders wohl kaum gefunden. Sie haben sich gut eingelebt. „Das Baugruppen-Konzept war anfangs zweitrangig“, sagt die 37-Jährige. „Ich finde das Gemeinschaftliche nett, mein Mann kann damit weniger anfangen, es stört ihn aber nicht.“

Regel 8Wenn Sie kein Geld haben, brauchen Sie Zeit. Sitzfleisch entscheidet

Das Gemeinschaftliche beginnt in Treptow damit, dass sich die Häuser gegenüberstehen – man kann in die Wohnungen der Nachbarn sehen und sogar hineingehen, wenn die Balkontür offen ist.

Manchmal führt die Gemeinschaftlichkeit Amat Amoros an ihre Grenzen. Wenn es zum Beispiel mal wieder um die Frage geht, wie oft der Hof gereinigt werden muss. Ein nicht geringer Teil der Gruppe findet: einmal im Monat, und alle Parteien sollen mitmachen. „Subbotnik“ nennen sie diesen Tag, in sozialistischer Tradition. Dann zupfen sie gemeinsam Unkraut und fegen den Hof. „Ich finde das übertrieben!“, sagt Amat Amoros. „Wir sind ja nicht in Baden-Württemberg.“ Ihr Weg aus dem Konflikt: An manchen Samstagen ist sie dabei, an anderen nicht.

„Es wird dann schon geredet. Da braucht man ein dickes Fell.“ Amat Amoros lacht, die Dynamik, die andere als Gruppenzwang empfinden würden, beeindruckt sie nicht. „Die Diskussionen gehen mir manchmal auf die Nerven. Zuletzt wurde ewig darüber abgestimmt, ob wir in unserer Gästewohnung Flüchtlinge aufnehmen sollen. Ich war dagegen, weil ich finde, dass sie für einen längeren Aufenthalt zu klein ist. Am Ende haben sich die Befürworter durchgesetzt.“

Regel 9Demokratie lebt von Engagement, nicht von Gruppenzwang

Um in einer Baugemeinschaft glücklich zu werden, muss man die Andersheit der anderen aushalten können. Die eigene Realität ist nicht automatisch die Wahrheit. Zusammenleben birgt immer Konflikte, und klar ist auch, wohin eine Baugemeinschaft nie führen wird: in ein harmonisches Paradies.

Zu wenige Konflikte schaden sogar. Projektsteuerin Anna Müller hat das einmal so eindrücklich erlebt, dass sie immer noch den Kopf schüttelt, wenn sie von einer Gruppe erzählt: Der Rohbau stand, über die Inneneinrichtung war abgestimmt, und die AG Garten nahm ihre Arbeit auf. Vier Mitglieder der Baugemeinschaft trafen sich mit einem Landschaftsarchitekten und entwickelten ein Konzept für die Grünfläche. Ohne die Hilfe eines Profis wären sie aufgeschmissen gewesen.

Regel 10Schalten Sie keinen Anwalt ein, solange es Bier gibt

Schließlich verständigten sie sich auf ein Konzept, das zum Haus passte: klare geometrische Wegführung, Hecken unterteilen die Grünflächen. Sie stellten die Idee vor, die anderen waren überzeugt und segneten sie ab.

Eine Woche nachdem alle eingezogen waren, kam das große Entsetzen: Was bitte ist das für ein schrecklicher Garten! Die Mitglieder der AG Garten waren tief erschüttert, der Landschaftsarchitekt beschwichtigte: So ein Garten braucht Zeit, die Pflanzen müssen erst wachsen. Trotzdem zerstritten sich einzelne Parteien kurz nach Einzug derart, dass sie bis heute kaum miteinander sprechen.

„Zu Pflanzen haben Menschen ein sehr emotionales Verhältnis“, sagt Müller. „Daher entzündet sich am Garten oft ein tieferes Problem. Wir sind Rudeltiere, jede Gruppe muss eine Hierarchie zurechtrütteln. Das geht am besten über frühe Konflikte. In der Krise zeigen die Leute ihr wahres Gesicht.“

Wenn man bis zum Einzug nicht gelernt hat, Konflikte auszutragen, kann man es auch später nicht. Die meisten unterschätzen die Bedeutung des Schritts, Eigentümer einer Wohnung zu sein. „Es verändert die Menschen“, sagt Müller. „Man kann es in ihren Augen sehen. Sobald die Wände stehen und die Leute sich in den Räumen bewegen, setzt ihr Bewusstsein für Mein und Dein ein.“ Eine Urszene für Konflikte, auch in einem solidarischen Kollektiv.

Susanne Lang,39, lebt mit ihrer Familie in einer solidarischen Mietergemeinschaft

Michael Szyszka,32, ist Illustrator. Er hat in seiner WG gelernt, Kompromisse einzugehen