Wo ich einmal verloren war

Mein beruflicher Einstand als Auszubildende bei der Lokalzeitung damals im September 1992 hätte misslungener nicht sein können. Ich betrete das Redaktionsbüro des Blattes, das einmal „Freie Erde“ hieß, sage artig „Guten Morgen“ und begebe mich an den mir zugewiesenen Schreibtisch. Der Willkommensgruß wird mit eisigem Schweigen quittiert. Warum, wird klar, als der nächste Kollege hereinkommt. Reihum wird jedem Anwesenden gnadenlos die Hand gedrückt – und das jeden Morgen.

Doch nicht nur in Sachen landestypischer Begrüßungsformeln greife ich anfangs daneben. Bei Interviews ernte ich abschätzige Blicke, weil ich frage, was denn ein ABV sei, oder bei länglichen Erörterungen über die Vor- und Nachteile von Rinderoffenställen mein Nichtwissen offenbaren muss.

Ich ziehe den Zorn der Sekretärin auf mich, weil ich es wage, einem Offizier der nicht mehr vorhandenen Roten Armee aus einer benachbarten Militärgarnison, die kurz vor der Auflösung steht, unser Büro zu zeigen. Der erste Termin bei einer Gynäkologin in der Poliklinik gerät zum Spießrutenlauf, weil ich mit meinen 29 Jahren weder verheiratet noch geschieden bin, keine Kinder habe und noch nicht einmal eine Abtreibung vorweisen kann.

Das Exil, das gefühlt mindestens zehn Jahre dauert, endet 1995. Seitdem habe ich die kleine Hansestadt nicht mehr besucht. Arbeitsplätze sind immer noch Mangelware – wer kann, sucht das Weite. Immerhin gibt es seit einigen Jahren eine Fischfabrik. Vielleicht sollte ich doch einmal wieder hinfahren. BARBARA OERTEL

Wo fühlte sich die Redakteurin im Auslandsressort verloren? Raten Sie, gewinnen Sie. Was, steht im Editorial auf Seite 15. Ihre Antworten schicken Sie bitte an sonntaz@taz.de