Beschwerde gegen TÜV Rheinland: Mitschuld an Rana Plaza?

TÜV-Prüfer sollen am eingestürzten Fabrikgebäude in Bangladesch Mängel übersehen haben. Anwälte legen Beschwerde bei der OECD ein.

Angehörige weinen um die Opfer des eingestürzten Rana Plaza

Angehörige trauern um die Opfer beim Gedenken im April 2016 Foto: dpa

BERLIN taz | Für über 1.100 Tote beim Zusammenbruch des Fabrikgebäudes Rana Plaza in Bangladesch 2013 muss sich nun der Tüv Rheinland rechtfertigen. Gegen das Prüfunternehmen und seine Tochter in Indien haben Menschenrechtsanwälte Beschwerde bei der Industrieländer-Organisation OECD eingereicht. Sie werfen dem Tüv vor, die schlechten Arbeitsbedingungen und den kritischen Zustand des Gebäudes nicht dokumentiert zu haben. Das Unternehmen weist die Vorwürfe zurück.

Ein Mitarbeiter von Tüv Rheinland India hatte die Textilfirma Phantom Apparels im Komplex Rana Plaza im Juni 2012 besucht. Sein Bericht, der der taz vorliegt, stammt vom Dezember desselben Jahres. Vier Monate später stürzte das Gebäude ein, weil es unter anderem der Last der schweren Maschinen nicht standhielt.

Anwältin Miriam Saage-Maaß vom European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) vertritt Hinterbliebene und Opfer der Tragödie. Sie hat die Beschwerde nun bei der Nationalen Kontaktstelle der OECD im Bundeswirtschaftsministerium eingereicht. Dort können Konflikte um Menschenrechte in globalen Konzernen geschlichtet werden. Urteile oder Sanktionen gegen Konzerne kann die Kontaktstelle nicht verhängen.

Bei seiner Fabrikkontrolle habe der Tüv nicht zur Kenntnis genommen, dass die Textilfirma gegen diverse Menschen- und Arbeitsrechte verstieß, argumentiert Saage-Maaß. Auch wenn der Tüv nicht den Auftrag hatte, die Statik der Fabrik zu prüfen, stelle sich die Frage, warum die Prüfer nicht auf den fragwürdigen Bauzustand hinwiesen und in dem Bericht die Bauqualität des Gebäudes sogar als „gut“ bezeichnet wird. So trage der Tüv eine Mitverantwortung für den Kollaps des Gebäudes – und für die Todesopfer.

Stellungnahme aus dem Jahr 2014

Die Liste der Verstöße gegen Vorschriften der OECD in Rana Plaza ist laut Saage-Maaß lang. Phantom Apparels hat demnach Kinder ab 12 Jahren beschäftigt. Eine Gewerkschaft, die sich um die Sicherheit der Beschäftigten kümmern konnte, gab es nicht. Frauen wurden drangsaliert und Überstunden erzwungen.

Zu der Beschwerde wollte sich der Tüv Rheinland mit Sitz in Köln auf Anfrage der taz nicht äußern. Man verwies auf eine Stellungnahme aus dem Jahr 2014. Damals erklärte Tüv-Sprecher Hartmut Müller-Gerbes, der Fokus der Prüfung, also des „Audits liegt auf dem Management, der Gestaltung der Arbeitsbeziehungen und auf den Arbeitsbedingungen. Bei der Besichtigung eines Betriebes gewinnen die Auditoren auch einen allgemeinen Eindruck der Räume und des Arbeitsumfeldes. Sie nehmen aber keine bautechnischen oder statischen Untersuchungen vor. Dafür sind sie gar nicht ausgebildet. In diesem Bereich sind wir in Bangladesch nicht tätig.“

Überprüfungen wie die durch den Tüv im Rana-Plaza-Gebäude finden statt, weil sich die Textilhändler absichern wollen, die die Bekleidung in armen Ländern kaufen und in reichen verkaufen. Mittels der Prüfberichte belegen sie, dass die Produktionsbedingungen in ihren Zulieferfabriken angeblich in Ordnung sind. Diese Praxis stellen die Organisationen ECCHR, Medico International und Femnet, die die Beschwerde tragen, nun in Frage. Sie verlangen unter anderem, dass der Tüv 250.000 Euro zugunsten der Rana-Plaza-Opfer zahlt.

Bislang hat die Textilindustrie etwa 30 Millionen US-Dollar in einen Entschädigungsfonds eingezahlt. Dazu gab es weitere Hilfen von der Regierung.

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