Rudolf Balmer über den Pfusch bei Frankreichs AKW-Bauteilen
: Atomkraft um jeden Preis

Frankreich hat seit Jahrzehnten auf Atomkraft gesetzt. Weder Tschernobyl noch Fukushima konnten daran etwas ändern. Das Risiko der Investition hatte von Beginn an der Staat zu tragen, der heute bis zum Hals in dieser Verantwortung steckt.

Der Industriekonzern Areva, in dem von der Uranförderung, -aufbereitung und -entsorgung bis zum Bau der Reaktoren die ganze Technologie konzentriert wurde, ist ein Staatsunternehmen. Das verhinderte allerdings nicht, dass Areva Fehlinvestitionen machte und aufgrund hoher Verluste an den Rand der Zahlungsunfähigkeit geriet. Einmal mehr musste der Staat einspringen. Es scheint, als habe die Atomkraft keinen Preis, oder besser gesagt: Frankreich hält um jeden Preis uneinsichtig an seiner Prioritätensetzung fest.

Schlimmer noch als die finanzielle Schieflage ist, dass Areva jetzt nachhaltig in Misskredit zu geraten droht – wegen des dringenden Verdachts, dass bei der Herstellung von Bestandteilen für Atomanlagen im In- und Ausland geschummelt wurde. Dazu liegen laut der Atomschutzbehörde ASN rund 400 Dossiers vor. Konkret könnte dies bedeuten, dass bestimmte Produkte, laut Medienangaben namentlich aus der Stahlgießerei Le Creusot, die Qualitätsanforderungen nicht erfüllen.

In einem Sektor, in dem die Sicherheit weitgehend von der Einhaltung hoher Standards abhängt, ist das mehr als schockierend. Es bedeutet, dass führende Leute des Atomkonzerns die wirtschaftlichen Interessen der Industrie leichtfertig, ja fast systematisch über den Schutz der Bevölkerung gestellt haben.

Natürlich wird nun sofort versichert, der Schwindel könne keine schwerwiegenden Folgen haben, denn wirklich schadhafte Teile seien nie geliefert worden. Doch wer soll das jetzt noch glauben? Eine Indus­trie, die sich solche Mogeleien leistet, verdient nicht das Vertrauen einer Bevölkerung, die selbst in Frankreich an der Zukunft der Atomkraft zu zweifeln beginnt.

Wirtschaft + Umwelt