Fingierte Sicherheitskontrollen

AKW Mehrfach wurden im Atomkraftwerk Philippsburg Prüfungen protokolliert, die nicht stattfanden. EnBW darf den Meiler nun vorläufig nicht in Betrieb nehmen

Beunruhigend: Im AKW Philippsburg nahm es ein Prüfer mit der Wahrheit nicht so genau Foto: Foto:Bernward Janzing

von Bernward Janzing

Freiburg taz| Im Atomkraftwerk Philippsburg 2 sind Sicherheitskontrollen nur vorgetäuscht worden. Die Atomaufsicht des baden-württembergischen Umweltministeriums hat daher der Betreiberfirma EnBW vorläufig untersagt, den betreffenden Meiler wieder in Betrieb zu nehmen. Der Block war am 8. April zur jährlichen Revision planmäßig vom Netz genommen worden.

Verantwortlich für den Vorfall sei der Mitarbeiter eines externen Dienstleisters, teilte der in Karlsruhe ansässige Stromkonzern mit. Dieser Mitarbeiter hatte zwar in einem ordentlich ausgefüllten Prüfprotokoll mehrfach dokumentiert, die Strahlenmesstechnik kontrolliert zu haben, dies aber in Wahrheit nicht getan.

Die Täuschung betrifft die „Wiederkehrende Prüfung“, das sind definierte Prüfprogramme, denen ein Betreiber Komponenten seines Kraftwerks turnusgemäß unterziehen muss. Damit soll sichergestellt werden, dass sich die Einrichtungen und Systeme in einem genehmigungskonformen Zustand befinden. Im konkreten Fall ging es um die Funktion eines Messgeräts zur Überwachung von Jod-Aero­solen.

Zum Teil unterstehen die Prüfungen der Eigenverantwortung des Betreibers, zum Teil aber auch der Aufsicht von behördlich hinzugezogenen Sachverständigen. Nach Bekanntwerden des Vorfalls seien nun rund 450 Prüfungen kontrolliert worden, die seit 2015 an 138 Einrichtungen der Strahlenmesstechnik erfolgten, teilte das Stuttgarter Umweltministerium mit.

EnBW hatte den Vorfall selbst der Atomaufsicht gemeldet. Die EnBW Kernkraft GmbH war bei der Aufarbeitung eines meldepflichtigen Ereignisses auf das Täuschungsmanöver gestoßen und hatte sich am 5. April unmittelbar an das Ministerium gewandt. Bei der weiteren Untersuchung sei dann festgestellt worden, dass der gleiche Mitarbeiter vermutlich sieben weitere Prüfungen an vergleichbaren Einrichtungen ebenfalls nur vorgetäuscht hatte. EnBW prüft nun rechtliche Schritte gegen den betreffenden Mitarbeiter. Aus Sicht der Atomaufsicht muss aber auch geklärt werden, warum hier offenbar das Vier-Augen-Prinzip, nach dem nie ein Einzelner allein solche Prüfungen vornehmen kann, von EnBW missachtet wurde.

Landesumweltminister Franz Untersteller (Grüne) nannte den Vorgang „hochgradig beunruhigend und nicht akzeptabel“. Nach seinem Wissen sei eine solche Täuschung in einem deutschen Atomkraftwerk bislang einmalig. Die EnBW habe nun „schnell und umfassend“ für Aufklärung zu sorgen.

Auch das Vier-Augen-Prinzip wurde bei den Kontrollen missachtet

Sylvia Kotting-Uhl, Sprecherin für Atompolitik der Grünen im Bundestag, forderte außerdem ein Handeln der Bundesatomaufsicht. Diese müsse nun analysieren, ob es Lücken im deutschen Regelwerk für AKW-Prüfungen gebe, und ob die in Philippsburg beteiligten Dienstleister in anderen Atomkraftwerken ähnlich tricksten. Auch müsse die Frage beantwortet werden, wie der oder die Mitarbeiter überhaupt auf den Gedanken kamen, die Kontrollen nur zu fingieren.

Der Reaktorbetreiber versicherte unterdessen, die betroffenen Messeinrichtungen seien trotz allem stets funktionstüchtig gewesen. Das habe man durch frühere und spätere korrekt erfolgte Prüfungen sowie durch weitere Indikatoren nachweisen können. Auch Umweltminister Untersteller geht davon aus, dass die vorgetäuschten Prüfungen keine sicherheitsrelevanten Auswirkungen hatten und die Emissionsüberwachung gewährleistet war. Gleichwohl erwartet er von der EnBW nun Vorkehrungen, um solche Täuschungen künftig auszuschließen. Erst dann dürfe die Anlage wieder angefahren werden.

Regulär soll die Revision des Reaktors bis zum Pfingstwochenende dauern, danach soll das Kraftwerk wieder ans Netz gehen. Ob die aktuellen Vorfälle bis dahin so weit aufgearbeitet sind, dass die Aufsicht das wieder gestattet, kann derzeit jedoch noch niemand sagen.