Kommunaler billiger Ökostrom sucht Abnehmer

Energie Die Wasserbetriebe-Tochter Berliner Stadtwerke könnte viel mehr Kunden beliefern

„Wir sind der zweitgrößte Strom­erzeuger Berlins“

BWB-Vorstandschef Jörg Simon

Die als „Bonsai-Stadtwerk“ verspotteten Berliner Stadtwerke produzieren schon genug Strom, um eine Kleinstadt zu versorgen – aber sie verkaufen nur einen Bruchteil davon an eigene Kunden. Das teilte am Mittwoch Jörg Simon, Vorstandschef der Berliner Wasserbetriebe (BWB), bei der Vorstellung der Jahresbilanz für 2015 mit. Die Stadtwerke, die seit einem guten halben Jahr reinen Ökostrom produzieren, sind eine 100-prozentige Tochter der landeseigenen Wasserbetriebe.

Laut Simon reicht die aktuelle Kapazität für 10.000 Haushalte. Der aus Photovoltaik und Windkraft gewonnene Strom wird jedoch an nur rund 1.100 Berliner Haushalte mit Kundenvertrag geliefert, der Rest nach dem Eneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) vergütet und ins Netz eingespeist. Dabei ist der Stadtwerke-Strom nicht nur kohle- und atomkraftfrei (und wird auch nicht im Rahmen eines gemischten Energie-Portfolios „grüngerechnet“), er ist sogar billiger als die Produkte des ­Berliner Energie-Platzhirschs Vattenfall.

Dass der Kundenstamm so überschaubar ist, liegt vor allem „an den, nun ja, ­unüblichen Rahmenbedingungen für ein Unternehmen“, wie Jörg ­Simon es vorsichtig ausdrückte. Die rechtlichen Fußfesseln, die den Stadtwerken auf Betreiben des Koalitionspartners CDU angelegt wurden, bestehen darin, dass der kommunale Betrieb nur Strom verkaufen darf, den er selbst erzeugt. Der Zukauf ist ausgeschlossen, die Kundenakquise geht zwangsläufig in Trippelschritten voran. Laut BWB-Sprecher Stephan Natz ­haben die Stadtwerke auch nicht die finanziellen Möglichkeiten, große Werbekampagnen zu fahren. Man setze auf Mundpropaganda und die sozialen Medien.

Strom direkt von der Quelle

Besonders günstig ist der „berlinStrom“ der Stadtwerke für die Mieter zweier Großwohnanlagen in Pankow und Hellers­dorf: Dort wurde in Kooperation mit den Wohnungsbaugesellschaften Gesobau und Stadt und Land Photovoltaik auf den Dächern installiert, die die Wohnungen darunter ohne Umweg über das allgemeine Netz versorgt. Dadurch fallen für die Kunden dieses „Mieterstroms“ auch keine Netzentgelte an. Aber obwohl das Interesse der Mieter laut Sprecher Natz groß ist, sind auch hier längst nicht alle potenziellen Kunden ­umgestiegen.

Insgesamt präsentierten sich die Wasserbetriebe in ihrer Bilanz als ausgesprochen grünes Unternehmen: Zwar entsprach der gesamte Eigenbedarf an Energie mit ca. 384,7 Gigawattstunden dem einer Stadt mit 250.000 Einwohnern, von dieser riesigen Menge habe man aber 22 Prozent aus erneuerbaren Quellen selbst erzeugt: „Wir sind nach Vattenfall der zweitgrößte Stromerzeuger Berlins“, so Vorstandschef Simon. Der Löwenanteil stammte aus der Verbrennung von Klärgas und Klärschlamm, dazu kam ein wenig Windenergie und ein winziger Anteil Photovoltaik. Auch die 78 Prozent zugekaufter Strom seien ökologisch erzeugt.

In naher Zukunft stehen den BWB große Aufgaben bevor, die sich aus der geplanten Novellierung der Klärschlammverordnung durch das Bundesumweltministerium ergeben. Einerseits darf Klärschlamm dann gar nicht mehr unbehandelt als Dünger eingesetzt werden (auch jetzt wird nicht der gesamte Berliner Klärschlamm verbrannt), andererseits muss der Asche des verbrannten Schlamms der Phosphatanteil entzogen werden. Das dient dem Schutz des weltweit immer knapper werdenden Rohstoffs Phosphor.

Die Vorschrift tritt voraussichtlich 2020 in Kraft. Auch wenn BWB-Chef Simon der Ansicht ist, so schnell lasse sich die entsprechende Technologie nicht installieren, haben die Wasserbetriebe praktischerweise schon einige Erfahrung mit dem Phosphatrecycling gesammelt: Im Klärwerk Waßmannsdorf läuft seit einigen Jahren eine Anlage, die aus den übel riechenden Hinterlassenschaften der Berliner ein hygie­nisch unbedenkliches Granulat erzeugt. 1.000 Tonnen im Jahr werden zurzeit unter dem geschützten Namen „Berliner Pflanze“ vermarktet.

Und noch eine gute Nachricht gab es am Mittwoch: Die nach der Rekommunalisierung gesenkten Preise für Trinkwasser und Abwasserentsorgung bleiben bis 2020 stabil.

Claudius Prößer

berlinerstadtwerke.de/berlinstrom