Debatte Panama Papers: Panama ist überall

Steuern senken und Geld vermehren: Wer diese Praxis jahrelang gepredigt hat, sollte sich über die Offshore-Leaks jetzt nicht wundern.

Briefkasten mit Schriftzug "Panama" mit einer panamaischen Flagge

Briefkastenfirma gefällig? Foto: dpa

Die gespielte Aufregung, die in diesen Tagen der „Enthüllung“ einiger Briefkastenfirmen in Panama durch die Medien schwappt, ist leicht zu erklären, aber schwer zu verstehen. Zu erklären ist sie mit dem Versuch der meisten Beobachter, sich erneut auf billige Art und Weise in der Ungleichheitsdebatte zu profilieren und zu zeigen, dass man tapfer für die Rechte der Entrechteten kämpft.

Zu verstehen ist das nicht, weil die gleichen Leute, die sich heute künstlich aufregen, in den letzten drei Jahrzehnten nichts anderes zu tun hatten, als zu hohe Steuern für die Reichen und die Unternehmen zu beklagen, und es ihnen in einer politischen Kampagne ohnegleichen tatsächlich gelungen ist, diese Steuern auf Teufel komm raus zu senken.

Was hat man sich von diesen Steuersenkungen nicht alles erhofft. Die Reichen würden viel mehr investieren, würden viel mehr Arbeitsplätze schaffen, und am Ende würde es allen viel besser gehen. Ja, man hat sogar einem „Wettbewerb“ der Staaten um die niedrigsten Steuersätze das Wort geredet. Wurde nicht in Deutschland die Körperschaftsteuer massiv gesenkt, weil unter anderem in der Slowakei und in Irland die Unternehmen mit superniedrigen Steuersätzen gebauchpinselt wurden?

Heute aber stellen sich all die Kämpfer für niedrige Steuern für die „Arbeitsplatzschaffer“ vor die Mikrofone und sagen scheinheilig: „So war es nicht gemeint.“ Die Unternehmen sollten ja fast keine Steuern mehr bezahlen – aber dass sie dann auch noch die praktisch nicht mehr vorhandenen Steuersätze in Panama, auf den Cayman Islands, den Jungfern-Inseln oder in Irland ausnutzen, das sei unfair.

Und dann die Rolle der bösen Banken!

Was ist daran unfair? Wenn man über Jahrzehnte erklärt, niedrige Steuern für Unternehmen seien gerechtfertigt und notwendig, weil die Unternehmen nur so ihre gesellschaftliche Aufgabe wahrnehmen könnten, dann kann man es diesen nicht verübeln, dass sie sich bemühen, die niedrigsten Steuern auf der ganzen Welt zu finden.

Und dann die Rolle der bösen Banken! Die sind doch tatsächlich bereit, den Reichen und deren Unternehmen noch dabei zu helfen, die niedrigsten Steuersätze zu finden oder Geld so durch die Welt zu schleusen, dass am Ende niemand mehr weiß, ob überhaupt ein zu versteuerndes Einkommen angefallen ist. Selbstverständlich ist das so.

Die Idee, man könne sein Geld für sich arbeiten lassen, ist längst als Hirngespinst entlarvt

Das wichtigste Geschäftsfeld vieler Banken und anderer Geldsammelstellen ist heute, reichen Menschen dabei zu helfen, das Geld, mit dem sie nichts anzufangen wissen, mit allen Tricks und Raffinessen weiter zu vermehren. Um das zu wissen, brauchte niemand einen Panama-Leak. Warum sind jetzt alle so aufgeregt?

Wer hat denn den kleinen Leuten erzählt, sie müssten, um für die Zukunft vorzusorgen, möglichst viel von ihrem Einkommen auf Konten anhäufen, damit diese Haufen so lange „für sie arbeiten“, dass sie auch dann noch Einkommen haben, wenn sie nicht mehr arbeiten können? War es nicht eine rot-grüne Bundesregierung mit einem Arbeitsminister namens Riester, die diesem von der Versicherungsbranche organisierten Unfug noch zig Milliarden an Steuergeld hinterhergeschmissen hat?

Das Geld der kleinen Leute um den Globus gejagt

Selbst heute gibt es noch naive Geister, die einen „Deutschlandfonds“ auflegen wollen, weil nur so das angesammelte Geld der kleinen Leute effizient um den Globus gejagt werden kann, immer auf der Suche nach der höchsten Rendite und – das gehört selbstverständlich dazu – dem niedrigsten Steuersatz.

Panama ist überall, weil überall der Fiktion hinterhergejagt wird, dass jede Menge Geld, die den Kapitalmärkten dieser Welt zur Verfügung gestellt wird, ohne große Probleme so angelegt werden kann, dass sie Rendite abwirft. Diese Vorstellung war schon immer falsch, aber heute könnte eigentlich jeder halbwegs vernunftbegabte Mensch begreifen, dass die Wirtschaft der Welt genau so nicht funktioniert.

Die Tatsache, dass überall auf der Welt der Zins für sichere langfristige Anlagen, also für Staatsanleihen vor allem, auf null oder darunter gefallen ist, zeigt eindeutig, das die Idee, man könne „sein Geld für sich arbeiten lassen“, ein Hirngespinst ist. Folglich müssen die Leute in den Banken und Hedgefonds, denen man viel Geld dafür bezahlt, dass sie das Unmögliche möglich machen, mit den verrücktesten Tricks und mit den verrücktesten Ländern operieren, um über die Runden zu kommen.

Dass sie dabei in der Regel schneller und cleverer sind als nationale Finanzbeamte, ist auch nicht besonders verwunderlich.

Den Irrsinn abstellen

Es gibt ein paar einfache Mittel, mit denen man diesen globalen Irrsinn abstellen kann. Zunächst muss man wieder zu einer normalen Besteuerung der Unternehmen und der Bürger zurückkehren, die weit mehr als der Durchschnitt verdienen. Warum sagt niemand, dass die dramatische Steuersenkung für die Unternehmen und die Absenkung des Spitzensteuersatzes bei der Einkommensteuer nichts, aber auch gar nichts gebracht haben?

Heute wird – im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt – weniger investiert als in den Jahren einer hohen Besteuerung. Warum macht man aus dieser Frage ein politisches Tabu?

Jeder, der dem Bundesfinanzminister mit seiner Politik der schwarzen Bundeshaushalts-Null zujubelt, macht sich mehr schuldig an dem wahnsinnigen globalen Wettbewerb um Geldanlagen als irgendein Zwergstaat, der versucht, im Steuersenkungswettbewerb der Nationen eine noch nicht besetzte Nische zu finden. Deutschland ist in diesem Jahr der weltweit größte Nettoexporteur von Kapital. Im vergangenen Jahr, diese Größe des deutschen Leistungsbilanzüberschusses ist gerade offiziell bestätigt, waren es 257 Milliarden, die als potenziell anlagesuchendes Kapital exportiert wurden.

In diesem Jahr wird es noch mehr sein. Maßgeblich daran beteiligt ist Wolfgang Schäuble, der mit seiner starrsinnigen Sparpolitik dem ohnehin ausgeprägten Sparwahn von privaten Haushalten und Unternehmen in Deutschland auch noch einen staatlichen Sparwahn hinzufügt.

Sich über Panama aufzuregen ist wohlfeil. Die zugrunde liegenden Zusammenhänge zu begreifen ist offenbar schwer. Wer sie aber begreift und trotzdem schweigt, der macht sich schuldig.

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Jahrgang 1950, ist Wirtschaftswissenschaftler. Er war Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen und Chef-Volkswirt bei der UNO-Organisa­tion für Welthandel und Entwicklung (Unctad) in Genf. 2013 gründete er das Beratungs- und Aufklärungsinstitut Flassbeck Economics.

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