2. Berliner Appell
: Ein Vorkämpfer der musikalischen Bildung

Ein Türchen für jeden Tag

VON GRIT WEIRAUCH

Ein Fenster öffnen will Christian Höppner. Wie die Kinder im Advent am Kalender. Aber Höppner will das am liebsten das ganze Jahr machen, für jedes Kind. Es soll ein Fenster sein, wie seine Mutter es ihm öffnete. Damals in den 60ern. Immer Samstagabend, da probte ihr Quartett.

Christian Höppner sitzt in seinem Büro – ein Faksimile der Partitur eines Brandenburgischen Konzerts von Bach an der Wand – in der feinen Schumannstraße in Mitte und ärgert sich. Über die Sonntagsreden der Politik. Am Montag würde das Geld wieder woandershin fließen. Dabei wäre es in der kulturellen Bildung so gut angelegt. Der 51-Jährige ist Generalsekretär des Deutschen Musikrats, einer Art Oberaufsicht für alle, die musizieren, Musik verbreiten und dafür kämpfen, gehört zu werden. Höppner leitet in dem Rat außerdem die Strategiekommission. Und die ist wichtig für die Geschichte über den Fensteröffner.

Denn als Stratege hat Höppner den 2. Berliner Appell miterarbeitet. Minister, Kulturstaatssekretäre, Bundespräsidenten a. D, der Kinderliedermacher Rolf Zuckowski und andere wichtige Menschen haben ihn unterzeichnet. Horst Köhler, dem der Appell im Sommer 2006 überreicht wurde, mochte besonders den Eingangsspruch „Wer das Eigene nicht kennt, kann das Andere nicht erkennen“. Wichtiger aber ist eigentlich, was der Appell fordert: „Jedes Kind muss, unabhängig von seiner sozialen und ethnischen Herkunft, die Chance auf ein qualifiziertes und breit angelegtes Angebot musikalischer Bildung erhalten, das die Musik anderer Ethnien einschließt.“

Die Realität in Berlin aber sieht so aus: Musikunterricht ist eines der am häufigsten ausfallenden Fächer an den Grundschulen. Und rund 6.500 Kinder warten auf einen Platz an den Musikschulen in der Stadt.

Im Ruhrgebiet gibt es das Grundschulprojekt „Jedem Kind ein Instrument“. Das „JeKi“ ist so erfolgreich, dass auch Niedersachsen plant es einzuführen. In Berlin, so Höppner, „ist es noch nicht tot.“ Noch nicht. Natürlich ist es eine Frage des Geldes.

Immerhin: In Sachen Interkulturalität habe sich einiges getan, sagt Höppner: In den Musikschulen kann man inzwischen die Baglama erlernen. Und bei „Jugend musiziert“ wurde das türkische Instrument als eigene Kategorie eingeführt.

Aber das liebe Geld, das fließt laut Höppner viel zu oft in kurzfristige Eventprojekte. Wie etwa beim Educational-Programm von Sir Simon Rattle. Jugendliche machen mit dem Stardirigenten Musik. Tolle Sache, schwärmt Höppner. Er selbst hat zwei türkische Jungs von den Proben bis zum Auftritt begleitet. Die hatten zwar anfangs ihre Schwierigkeiten. Am Ende aber wollten sie unbedingt weiter Musik machen. Nur: Auf einen Platz in der Musikschule hätten sie zwei Jahre warten müssen: „Da ist ein Feuer entfacht, und dann verpufft es wieder“, empört sich Höppner. Er hat ihnen schlussendlich noch Plätze verschaffen können. Schließlich war er auch mal Musikschulleiter in Wilmersdorf-Charlottenburg. Jetzt bekommen sie Unterricht in Jazzgitarre und Gesang.

Apropos Singen: Als Leiter des Landesmusikrates hat Höppner die NRW-Initiative auf Berlin angepasst: „Jedem Kind sein Instrument“ soll es für die Hauptstadt heißen. Das eigene Instrument kann auch die Stimme sein. Singen kostet nichts. Schon gar nicht im Advent.