Abriss oder Sanierung: Eine Chance für den „Schandfleck“

Einstimmig sprechen sich Experten bei einer Anhörung für eine Neuauflage des Ausschreibungsverfahrens um die „City Hof-Hochhäuser“ aus.

City-Hof Hochhäuser

Die Hochhausgruppe „City Hof“, von Nordosten aus gesehen. Foto: Wikimedia Commons

HAMBURG taz | Die Tage von Hamburgs am heftigsten umstrittenen Denkmal schienen schon gezählt: Die Stadt will die vier „City-Hof“-Hochhäuser am Hauptbahnhof an einen Investor verkaufen, der sie abreißen will und auf dem Areal neu bauen möchte. Nun haben sich in dieser Woche Experten gegen die Vergabe gestellt und der Bürgerschaft empfohlen, den Verkauf zu stoppen und neu auszuschreiben.

Abriss und Neubau oder Erhalt und Sanierung des 7.000 Quadratmeter großen Geländes am Klosterwall – das waren die zwei Möglichkeiten, unter welchen die Finanzbehörde 2014 das Wettbewerbsverfahren für den unter Denkmalschutz stehenden City-Hof eröffnet hatte. Von sechs Angeboten, die einen Erhalt vorsahen, und acht Neubauplänen schafften es drei in die zweite Runde. Dort wurde das Angebot von Matrix Hochtief und dem Architekten Volkwin Marg, das einen Erhalt vorsah, aus dem Verfahren ausgeschlossen – mit fadenscheinigen Argumenten, wie Marg seitdem sagt. Das Neubau-Angebot des Bauunternehmens Aug. Prien in Höhe von 32,5 Millionen Euro gewann im Oktober 2015 die Ausschreibung.

Formal hätte nur noch die Kommission für Bodenordnung dem Verkauf zustimmen müssen. Doch weil die Kritik am Verfahren nicht verstummte, entschied der Senat auf Betreiben der Grünen-Fraktion, am 31. März die Bürgerschaft entscheiden zu lassen. Die berief eine Anhörung von sechs Experten im Stadtentwicklungsausschuss ein, jeweils vorgeschlagen von einer Bürgerschaftsfraktion. Ergebnis: Alle sechs sprachen sich für eine neue Ausschreibung aus.

Für die größte Überraschung dürfte dabei der von der SPD nominierte Kunsthistoriker Hermann Hipp gesorgt haben, der als Befürworter eines Abrisses galt. Zwar bezeichnet er die City-Hochhäuser als „städtebaulichen Störfaktor“ und gehört damit zu jenen, die den Komplex nicht für schutzwürdig halten, doch in der Anhörung wandte er sich nun gegen einen Abriss. „Und gegen die Privatisierung“, wie Marco Alexander Hosemann von der Initiative City-Hof hinzufügt.

Erbaut wurden die City-Hochhäuser von 1956 bis 1958 vom Hamburger Architekten Rudolf Klophaus – als bewusster Kontrast zum unmittelbar benachbarten Kontorhausviertel aus rotem Backstein.

Ihre ursprünglich helle Fassade verloren sie 1977, als die weißen Keramikplatten durch graue und gelbe Eternitplatten ersetzt wurden.

In dem Jahr, in dem die Häuser den offiziellen Denkmalschutz bekamen – durch ein 2013 von der Bürgerschaft novelliertes Gesetz, alle auf der Liste des Denkmalamtes stehenden Gebäude auch automatisch unter Schutz zustellen –, wurden auch die ersten Abriss-Pläne bekannt.

Seit 2014 setzt sich die Initiative City-Hof für den Erhalt des Denkmals ein, das an den Neuanfang in den 1950er-Jahren erinnert.

www.city-hof.org

Architekturstudent Hosemann hat 2014 die „Initiative City-Hof“ für den Erhalt des Ensembles gegründet. Die Expertenanhörung habe ihm und seiner Initiative „starke Hoffnung“ gemacht, sagt er.

Mit ihrem Einsatz für das Bauwerk aus den 1950er-Jahren ist die Initiative nicht allein: Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz hatte im Sommer vergangenen Jahres in einem offenen Brief an Bürgermeister Olaf Scholz angemahnt, „dass die öffentliche Hand ihrer Vorbildrolle bei der Pflege und Bauunterhaltung von Nachkriegsbauten vielerorts nicht gerecht werde“. Darüber hinaus wäre es nicht nur ein „Zeugnis kulturellen Unverständnisses“, sondern auch ein „Widerspruch zum Bekenntnis der Welterbekonvention, das kulturelle Erbe zu erhalten“, wenn in unmittelbarer Nähe zum neuen Unesco-Welterbekomplex aus Kontorhausviertel und Chilehaus die ebenfalls denkmalgeschützten City-Hochhäuser abgerissen würden.

Genau auf diesen Widerspruch hat auch Berthold Burkhardt als Sprecher des Internationalen Rats für Denkmalpflege (Icomos) verwiesen. Icomos beteiligt sich als Berater und Gutachter an der Arbeit des Welterbe-Komitees und an der Erfüllung der Unesco-Konvention zum Weltkulturerbe. Burkhardt äußerte sich empört darüber, dass „nicht einmal ein Jahr nach Aufnahme in die Welterbe-Liste Hamburg nun mit dem Abriss eines Denkmals in der Pufferzone für Schlagzeilen sorgt“. Es sei nicht ausgeschlossen, dass ein Abriss den Welterbestatus ernsthaft gefährde, sagte der von den Grünen für die Anhörung benannte Experte.

„Die Bürgerschaft muss den Senat stoppen“

Politiker der Opposition lassen bereits ihre Haltung wissen: „Der Senat ist gut beraten, die Bedenken der Experten ernst zu nehmen und durch die Wiederaufnahme des Vergabeverfahrens seinem eigenen Denkmalschutzgesetz endlich Rechnung zu tragen“, sagt Jens Meyer, stadtentwicklungspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion. Er bezeichnet den geplanten Abriss als „eklatanten Fehler“. Heike Sudmann von der Linksfraktion fordert: „Die Bürgerschaft kann und muss den Senat stoppen.“

Auch Hosemann von der Initiative City-Hof würde es als „großen Fehler“ empfinden, wenn sich die Bürgerschaft über die Empfehlungen der Experten hinwegsetzte. Stattdessen sollten die City-Hochhäuser eine zweite Chance bekommen, indem das Ausschreibungsverfahren neu aufgelegt wird. Dabei dürften die Pläne nicht unter den Tisch gekehrt werden, nach denen der City-Hof erhalten oder um- und weitergebaut werden könnte. Ob in privater oder in städtischer Hand.

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