Sachsen wird zum Vulkan

Es brodelt an der deutsch-tschechischen Grenze. Erhöhte Heliumwerte zeigen, dass Magma verstärkt aufsteigt. Das könnte die häufigen schwachen Erdbeben erklären

BERLIN taz ■ Vulkanische Aktivität in Deutschland – dieses Naturphänomen haben jetzt Wissenschaftler vom Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle beobachtet. „Unterhalb der deutsch-tschechischen Grenzregion bewegt sich Magma verstärkt auf die Erdoberfläche zu“, erklärt Karin Bräuer vom Forschungszentrum. Zwölf Jahre lang haben die Wissenschaftler gemessen. Sie untersuchten Gase, die aus Magmablasen stammen, die etwa 30 Kilometer unter der Erdoberfläche liegen. Überraschend war vor allem die Gasmenge, die aus den tiefen Schichten nach oben stieg.

„Solche Werte sind sonst nur von aktiven Vulkanen wie dem Ätna bekannt“, erklärt Bräuer. Erhöhte Heliumwerte deuten sie und ihre Kollegen als Anzeichen dafür, dass sich die vulkanische Aktivität in der Region verstärkt. Die Wissenschaftler aus Halle werden künftig jeden Monat eine Messung der magmatischen Aktivität vornehmen.

Die neuen Erkenntnisse erklären erstmals, warum es an der sächsisch-böhmischen Grenze immer wieder „Schwarmbeben“ gibt. Innerhalb von mehreren Wochen kann es zu tausenden Erdstößen kommen. Sie sind zwar nicht heftig, dafür aber ausdauernd. Zuletzt hatte im September 2000 ein Erdbeben der Stärke 3 die Region im Dreiländereck erschüttert. Größere Schäden gab es jedoch nicht; nur die Gläser klirrten in den Schränken. Ungefähr alle drei Jahre treten solch schwache Beben in der Region auf; im Abstand von mehreren Jahrzehnten kommt es allerdings zu größeren Erschütterungen. Im Winter 1985/86 wurde beispielsweise bei einem Beben im Vogtland eine Stärke von 4,6 auf der Richter-Skala registriert.

Vulkanausbrüche hingegen gab es an der heutigen sächsisch-böhmisch-bayerischen Grenze zuletzt vor etwa 300.000 Jahren. Und bis die ehemaligen Vulkane wieder Feuer speien, könnten weitere hunderttausende von Jahren vergehen, betonten die Wissenschaftler.

Dennoch lebt noch heute ein ganzer Tourismuszweig von den Spätfolgen des Vulkanismus. Böhmische Heilbäder wie Karlovy Vary (Karlsbad), Mariánske Lázne (Marienbad) oder Frantiskovy Lázne (Franzensbad), aber auch die sächsischen Kurorte Bad Elster und Bad Brambach sowie Sibyllenbad im Oberpfälzer Wald verdanken ihre Existenz den Kohlendioxid-Mineralquellen, die damals durch die magmatischen Aktivitäten entstanden sind.

ANNETTE LEYSSNER