Gegen Windmühlen

Aktivismus Seit ein Film des israelischen Regisseurs Dror Dayan im Moviemento läuft, wird darüber gestritten, ob das sein muss. Wenn „Even though my land is burning“ antizionistische Propaganda sein soll, ist sie jedenfalls nicht besonders gut gemacht

Die Gegen-Gegendemo: pro-palästinensische Demonstranten am 4. 3. vor dem Moviemento Foto: Theo Schneider

von Andreas Hartmann

Einen Dokumentarfilm zu drehen, der zum Politikum wird, davon träumt jeder politisch denkende Regisseur. Dem seit zehn Jahren in Berlin lebenden Israeli Dror Dayan ist es gelungen. Was sich rund um die Premiere seines Films „Even though my land is burning“ im Kreuzberger Traditionskino Moviemento abspielte, klingt nach einer Posse, aber wie immer, wenn es um die Kritik an Israel geht, steckt darin auch genug Zunder, um den Streit der Woche in Berlin anzufachen. Das Moviemento wurde vor der Premiere von einer pro-israelischen Gruppierung, den „Zionistischen Antifaschisten“, angegangen. Würde das Kino den Film im Rahmen der sogenannten „Israeli Apartheid Week“, präsentiert von zum Boykott Israels aufrufenden Gruppen wie dem international tätigen BDS-Netzwerk, zeigen, würde man das Filmhaus als antisemitisch motivierten Veranstaltungsort in der Öffentlichkeit brandmarken, teilten die Linken vorab mit.

Die Betreiber des Moviemento waren von der politischen Dimension ihrer Programmarbeit etwas überfordert, wie man ihren Mitteilungen entnehmen konnte, wollten aber auch nicht klein beigeben. Als die Premiere stattfand, wurde von der Gegenseite kurzerhand eine Demo organisiert, die „bedingungslose Solidarität mit Israel“ einforderte, was wiederum eine Gegen-Gegendemo einer Handvoll Pro-Palästina-Aktivisten unter dem Banner „For One State and Return in Palestine“ provozierte. Im Umfeld der Kleindemos kam es zu Rangeleien, der Hitlergruß soll gezeigt worden und Juden der Weg ins Gas gewünscht worden sein.

Aber worum geht es überhaupt in „Even though my land is burning“? Der junge israelische Aktivist Ben wird dabei begleitet, wie er Woche für Woche mit ein paar gleichgesinnten Israelis in das kleine Dorf Nabi Salih fährt, 20 Kilometer von Ramallah entfernt, um dort gemeinsam mit Einheimischen gegen den Siedlungsbau, als dessen Opfer sich die Dorfbewohner sehen, zu demonstrieren. Ben ist Anarchist, Sänger einer antizionistischen Hardcore-Band in Tel Aviv und Wehrdienstverweigerer, was in Israel eine Seltenheit ist. Er setzt sich, wie übrigens auch der Regisseur des Films, dezidiert für eine Einstaatenlösung ein, weil er glaubt, nur diese könne die Region befrieden. Die Einstaatenlösung würde das Ende Israels als jüdischer Staat bedeuten. Dennoch plädieren für diese Lösung auch Angehörige der radikalen Linken in Israel.

Ben und sein Demogrüppchen geraten immer wieder mit israelischen Soldaten in Konflikte. In eindringlichen Bildern zeigt Regisseur Dror Dayan, wie die Soldaten Tränengas und Schlagstöcke einsetzen, palästinensische Kinder ihre Steinschleudern. Ansonsten gibt es sehr viel Leerlauf in dem Film, und man hat die Message nach 20 Minuten verstanden.

Das mag auch damit zusammenhängen, dass „Even though my land is burning“ auch kein Dokumentarfilm im eigentlichen Sinne, sondern kultureller Aktivismus ist. Da gibt es keine Distanz zwischen Regisseur und Gefilmten, der Mann hinter der Kamera verleugnet nie, auf welcher Seite der Konfliktlinie er steht, an einer Stelle des Films wird er sogar ganz selbstverständlich wie ein Mitglied der Aktivisten von diesen angesprochen. Dennoch ist es sein gutes Recht, seine nicht uninteressante Hauptfigur Ben in all seinem verbissenen Weltverbesserungsantrieb zu zeigen.

Es ist auch nicht so, dass der Aktivismus der radikalen israelischen Linken übermäßig glamourös dargestellt würde. Das Häufchen, das da Woche für Woche gegen Windmühlen anrennt, ist ein trauriges Trüppchen, zu derartigen Soliveranstaltungen in den palästinensischen Gebieten lasse sich kaum noch jemand in Israel motivieren, beklagen sich die Aktivisten. Einen echten Sinn hinter den Aktionen, außer den, gelangweilte israelische Soldaten zu beschäftigen, lässt sich auch nicht erkennen.

Der Aktivismus der radikalen israelischen Linken wird nicht sehr glamourös dargestellt

Weltfremde Vorstellungen

Wenn „Even though my land is burning“ antizionistische Propaganda sein soll, ist sie nicht besonders gut gemacht. Das bekommt die Hamas in jedem Selbstmordattentätervideo besser hin. Was die Gemüter in Berlin beschäftigt, das lässt sich in den Reaktionen auf die Filmpremiere von der Jungen Welt bis zur Jüdischen Allgemeinen erkennen, ist jedoch die Frage, ob es legitim ist, den dezidierten Antizionismus eines Israelis von einem weiteren Antizionisten in Szene setzen zu lassen.

Da sagen die einen: Nein, auf keinen Fall. Und die anderen: Warum denn nicht? Der Antizionismus von Dror Dayan und bestimmt auch von seinem Filmprotagonisten Ben ist aber ein anderer als von denen, die da in Kreuzberg den Hitlergruß gezeigt haben mögen und von denen sich Dayan in einem Interview ausdrücklich distanziert hat. Es ist der weltfremde, aus dem Scheitern des ewigen Suchens nach einer Zweistaatenlösung resultierende Antizionismus von Menschen, die glauben, Israelis könnten friedlich dereinst gemeinsam mit Palästinensern in einem Land der Glückseligen leben. Das mag eine naive Vorstellung sein, und die Frage, wie sich die Hamas gegenüber einer derartig einvernehmlichen Staatenlösung positioniert, sollte man sich vielleicht auch mal stellen. Aber als Antisemiten sollten sich Dror Dayan und die Betreiber des Moviemento in Berlin nicht beschimpfen lassen müssen.

Nächste Vorführung mit Diskussion am 12. März