„Kultur geht nur noch morgens“

Issa Touma, 50 Jahre, Fotograf, Kurator und Inhaber der Le Pont Gallery, Aleppo

Alles, was ich für das neue Jahr will, ist Frieden. Sonst nichts. Was für ein Staat Syrien danach sein wird, ist mir inzwischen egal. Alles in Aleppo hat sich verändert. Es ist furchtbar geworden. Ich sehe die Leute kämpfen, ich höre die Explosionen. Es ist so viel Tod um uns herum. Aleppo ist heute eine Stadt der wandelnden Toten.

Meine Galerie ist noch geöffnet, allerdings gehe ich jetzt nur noch am Morgen hin. Auch die Besucher kommen morgens, weil viele ihren Beruf nicht mehr ausüben können und sonst nichts zu tun haben. Wir öffnen früh und wir schließen früh. Das kulturelle Leben hat sich auf den Morgen verschoben.

Politisch will ich mich auf keine der beiden Seite schlagen. Warum auch? Die meisten Leute in Aleppo sehen das so wie ich: Wer unsere Unterstützung will, sollte uns von sich überzeugen; das hat bisher keine der Konfliktparteien getan. Sicher, ich hatte früher oft Scherereien mit den Behörden, wenn ich internationale Foto-Festivals in Aleppo organisiert habe. Doch es gab immer Wege, sich zu arrangieren. Wir wollten den Krieg nicht, die Rebellen haben den Krieg in unsere Stadt gebracht. Das sind alles Milizionäre, die töten und zerstören!

Diese Leute sind auch nicht die Lösung.

Und die internationale Gemeinschaft? Die hat uns im Stich gelassen. Die Medien sprechen fast nur noch von den Dschihadisten; der Westen denkt nur an seine eigene Sicherheit. Die Leute, die nicht Teil dieses Problems sind, Leute wie ich, die werden einfach nicht wahrgenommen, die werden ignoriert.

Ich will Aleppo nicht verlassen, doch das Internet fällt immer häufiger aus. Wenn das so weitergeht, werde ich nicht bleiben können, weil ich für die Arbeit das Internet brauche. Aber wenn ich nicht mehr arbeiten kann, was soll ich dann noch hier?