Zika-Virus

Gentechnisch verändert, radioaktiv bestrahlt oder mit Chemikalien besprüht: Wie kann man die Zika-Mücke am besten stoppen?

Mangelnde Transparenz lässt Gerüchteküche brodeln

Brasilien Viele Fragen zum Zika-Virus sind offen – ein idealer Nährboden für verschiedene Theorien. Regierung trägt zur Verunsicherung bei

In Brasilien werden noch viele Pestizide eingesetzt, die in Europa und den USA verboten sind

RIO DE JANEIRO taz | Oft wird das Zika-Virus als mysteriös bezeichnet. Kein Wunder, dass jede Menge Gerüchte zirkulieren, insbesondere in Brasilien, wo das Virus und die Über­trägermücke Aedes aegypti am stärksten verbreitet sind.

Sicher ist, dass das Virus nur bei einem kleinen Teil der Infizierten überhaupt Symptome auslöst, zumeist leichtes Fieber, Rötungen und Gliederschmerzen. Der dramatischste Verdacht ist, dass infizierte Schwangere Zika auf den Fötus übertragen können und dieser bei dem Ungeborenen Mikrozephalie, also eine schwere Fehlbildung des Kopfes auslösen kann. Aufgrund der gleichzeitigen Ausbreitung des Virus und der extremen Häufung von Mikrozephalie-Fällen seit Ende 2015 bezeichnet das brasilianische Gesundheitsministerium diesen Verdacht mittlerweile als bestätigt. Die Weltgesundheitsorganisation WHO spricht nur von „hoher Wahrscheinlichkeit“.

Keine Antwort gibt es bislang auf die Frage, warum in Kolumbien, dem von Zika am zweitstärksten betroffenen Land, bisher kein einziger Fall mit diesem Zusammenhang aufgetreten ist. Und warum traten über 90 Prozent aller Mikrozephalie-Fälle in Brasilien im armen Nordosten auf, während das von derselben Mückenart übertragene Dengue-Fieber im ganzen Land grassiert? Die Fälle, bei denen ein Zusammenhang von Zika und Mikrozephalie bestehen könnte, liegen bei etwa 50. Weil dieser Zusammenhang so schwer nachzuweisen ist oder diese Zahlen die aufwendige Kampagne zur Mückenbekämpfung kaum rechtfertigen, verzichtet das Gesundheitsministerium seit Mitte Februar darauf, diese Zahl in ihrem Wochenbericht zu veröffentlichen.

Zika wird auch mit der seltenen Lähmungskrankheit Guillain-Barré-Syndrom in Verbindung gebracht, die tödlich enden kann. Kolumbien meldete drei Todesfälle mit Verdacht auf diesen Zusammenhang, auch in Brasilien soll es mehr Fälle als früher geben. Einen wissenschaftlichen Nachweis gibt es nicht.

Bei so vielen Unklarheiten fehlt es nicht an Thesen, die andere Ursachen für die Häufung der Krankheiten ausmachen. Argentinische Ärzte machen ein Pestizid, das just im Nordosten zur Bekämpfung von Mückenlarven ins Trinkwasser gemischt wurde, für die Missbildungen bei Säuglingen verantwortlich. Auch eine neue Impfung für Schwangere in Brasilien wurde verdächtigt. Nicht zuletzt gibt es die These, dass genetisch veränderte Mücken, die in einigen Landesteilen bereits erprobt werden, Schuld haben. Substantieller ist der Hinweis, dass eine Meldung der Symptome erst seit Oktober 2015 Pflicht ist, womit die anhaltende Steigerung der Fälle zumindest zum Teil erklärt werden kann.

Von offizieller Seite werden solche Überlegungen schnell als Verschwörungstheorien abgeschmettert. Es gebe keine epidemiologische Studie, die einen Zusammenhang zwischen Mikrozephalie und dem Wirkstoff eines Pestizids nahelege, ließ die Regierung verlauten. Dass in der brasilianischen Landwirtschaft noch viele Pestizide eingesetzt werden, die in Europa oder den USA aus gesundheitlichen Gründen verboten wurden, wird dabei nicht thematisiert. Es sind nicht solche Gerüchte, die zumeist auf sehr fragwürdigen Quellen beruhen, sondern es ist der Mangel an kritischer Auseinandersetzung, der Verunsicherung schafft.

Andreas Behn