Aussteiger unter Aussteigern

VIELFALT Sie halten Kühe, Schafe und Ziegen und produzieren auf ihrem Hof in Hude-Hurrel 40 Sorten Käse, den es nur auf Wochenmärkten und direkt vom Hof zu kaufen gibt

Bekommen Milchersatz, weil die Schafsmilch zu kostbar ist: Lämmer der Haferkamps   Foto: Jan Zier

von Jan Zier

Als die Haferkamps anfingen, mit den Schafen, dem Käse, damals: 1992, da haben die Leute hier noch die Nase gerümpft. 15 Vollerwerbsbauern gibt es in Hude-Hurrel, und die haben eben Kühe. Und Schafskäse, das kannten sie auch nur vom Feta, aus Griechenland. Laut gesagt hat natürlich keiner was, das kam erst später, auf dem Schützenfest. Aber den Haferkamps war das egal. Und ihren ersten Käse nannten sie halt einfach Schafsgouda.

Der Markt hat ihnen mittlerweile Recht gegeben. Weil: Für konventionelle Milch bekommen die Bauern heute kaum noch Geld, 26 Cent pro Liter. Und mit ihren gut 40 Sorten ausschließlich selbst- und handgemachtem Kuh-, Ziegen- und Schafskäse und den anderen Milchprodukten verdienen die Haferkamps inzwischen mehr als die Hälfte ihres Einkommens. Das Magazin Der Feinschmecker listete ihren Betrieb sogar als einen der besten 400 Käse-Produzenten und -Händler in Deutschland.

Es gibt hier von der Schafmilch sowohl Frisch- als auch Weichkäse und eben Gouda, dazu Frisch- und Schnittkäse-Varianten von der Ziegenmilch und Rohmilch-Käse von der Kuhmilch. Die meisten Sorten basieren auf eigenen Ideen, oder solchen der KundInnen. Und die allermeisten von denen kommen, wenn sie die Hofkäserei entdeckt haben, sehr regelmäßig. Dabei gibt es den Käse von Haferkamps nur direkt vom Hof – oder donnerstags bis samstags auf einem der Wochenmärkte in Bremen, Oldenburg, Delmenhorst, Hude und Hundsmühlen. Die haben die Haferkamps zum Teil mit begründet. An den großen Vermarktungsketten haben sie kein Interesse. „Wir haben auch so unser Auskommen“, sagt Erwin Haferkamp, „und große Reichtümer erwirtschaften wir eh nicht.“ Auch, weil der Geestboden in der Wesermarsch schlecht ist.

70 Ostfriesische Milchschafe, 40 Milchkühe und zwölf Milchziegen leben auf dem Hof, rund 100.000 Liter Milch werden im Jahr verarbeitet. „Sowas tut sich sonst keine Käserei an“, sagt Haferkamp: Je größer die Käse-Vielfalt, desto mehr Arbeit. Haferkamp wollte deshalb erst keine Ziegen, aber irgendwie hat es sich dann doch so ergeben. „Wenn wir 8,50 Euro in der Stunde bekämen, dann wären wir gut situierte Leute.“ Wenn.

„Wenn wir 8,50 Euro in der Stunde bekämen, wären wir gut situierte Leute“

ERWIN HAFERKAMP

Nicht immer konnten die Haferkamps von ihrem Hof leben, manchmal haben sie an Aufgabe gedacht. Aber der Hof existiert seit 320 Jahren, Erwin Haferkamp bewirtschaftet ihn in 14. Generation. Er ist auf dem Hof geboren, ist mit fünf Trecker gefahren, hat mit acht Ferkel auf die Welt geholt.

Wie man Käse macht, davon hatte er erst mal keine Ahnung. Also besuchte er mit seiner Frau Christa einen Crash-Kurs in der Rhön. „Da waren wir als Landwirte die Aussteiger unter den Aussteigern“, sagt er. Aber es habe damals nur ein einziges Buch zum Thema gegeben, vom Internet ganz zu schweigen. Eineinhalb Jahre haben sie nur Freunde und Verwandte mit Käse versorgt, eh sie sich das erste Mal auf den Wochenmarkt trauten. Geschmacksverstärker oder Pilzhemmer benutzen sie nicht, nur Lab, Milchsäure und Gewürze.

Schafs- und Ziegenkäse gibt es erst seit Kurzem wieder: Im Winter ist hier die Zeit der Lammungen, da gibt es nur Kuhmilchprodukte. Im Moment sind es gut 80 Lämmer. Für sie ist die Milch der Mutterschafe zu kostbar, sie müssen mit Ersatz auskommen, andererseits gibt es ohne Lämmer eben auch keinen Schafs- oder Ziegenkäse. Die Tiere fressen hofeigenes Gras und Getreide ohne gentechnisch veränderte Futtermittel. Bio-Siegel hat der Hof keins, dennoch erfülle er viele der Standards, sagt Haferkamp.Und der Preis? Der Käse hier ist teurer als konventioneller beim Discounter, aber immer noch billiger als viele Bio-Käse.