heute in Bremen
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„Man hat die hofiert“

jahrestag Seit 1976 verhindert Marokko gewaltsam die demokratische Republik Westsahara

Regina Dietzold

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69, PR-Fachfrau i. R., ist Sprecherin des Bremer Vereins Freiheit für die Westsahara.

taz: Frau Dietzold, ist das 40-jährige Bestehen eines Exilstaates Anlass zu feiern?

Regina Dietzold: Die Geschichte der Gründung der Demokratischen Arabischen Republik Sahara (DARS) ist kompliziert. Tatsächlich hat es sie als Staat nie gegeben: Die Westsahara ist die letzte Kolonie in Afrika.

Die Spanier haben sich doch schon lange zurückgezogen?

Ja, aber auf dem Sterbebett hat der Diktator Francisco Franco die Westsahara völkerrechtswidrig an Marokko und Mauretanien abgegeben – ohne die Sahrauis zu fragen. Daraufhin kam es zum Krieg. Und während Mauretanien relativ bald einen Friedensvertrag mit der Frente Polisario geschlossen hat, also der Freiheitsbewegung der ­Sahrauis, hat Marokko einfach hunderttausende bewaffnete Siedler dorthin geschickt. Im Gegenzug wurde am 27. Februar 1976 die DARS proklamiert.

Also ist Westsahara eine marokkanische Kolonie?

Marokko hat das Land besetzt und die Sahrauis vertrieben: Einige wurden auf einen schmalen Küstenstreifen zurückgedrängt, den ein verminter Sandwall von 2.700 Kilometern Länge abriegelt. Andere leben in Flüchtlingslagern in Algerien, darunter auch die Exilregierung.

Aber die wird nicht von den Vereinten Nationen anerkannt?

Nein, leider. Zwar hatte die UN schon 1975 das Anliegen der Frente Polisario für berechtigt erklärt, und die DARS ist auch Mitglied der Afrikanischen Union, aber eine Anerkennung wird vermieden. Von daher sind wir froh, dass die Bremische Bürgerschaft heute der Diskussion mit hochrangigen Vertretern der DARS ein Podium verschafft, und auch als erstes deutsches Länderparlament überhaupt bereit ist, die Flagge der DARS zu hissen. Voraussetzung für eine UN-Anerkennung wäre ein Referendum, in dem die Sahrauis bestimmen, in welchem Staat sie leben wollen.

Aber warum setzt die UN das nicht durch?

Das ist das erklärte Ziel der Friedensmission MINURSO, die es seit dem Waffenstillstand von 1991 gibt, bloß setzt die das in keiner Weise um. Es ist auch die einzige UN-Mission auf dem afrikanischen Kontinent, die keine Menschenrechtsverletzungen beobachten darf.

Warum?

Marokko lässt keinerlei Kontrollen zu.

Das Land, das wir bald als sicheres Herkunftsland anerkennen werden?

Diese Diskussion ist vor dem Hintergrund einfach nur peinlich. Kein Staat der Welt behauptet, dass Marokko Anspruch auf diese Gebiete hätte. Gerade erst hat der Europäische Gerichtshof das Freihandelsabkommen zwischen Marokko und der EU wegen Marokkos permanenter Völkerrechtsverletzung kassiert. Aber in Deutschland hat fast keiner darüber berichtet ...

... bis auf die taz. Aber war das denn nicht bei der Grünen Woche Thema, wo Marokko 2016 Gastland war?

Wo denken Sie hin! Man hat die da nur hofiert.

Dabei kommen die ganzen marokkanischen Tomaten doch aus der Westsahara?

Die meisten, ja, und auch die Zucchini: Die südliche Westsahara haben die Spanier Rio de Oro genannt, goldener Fluss. Auch sonst hat das Gebiet wirtschaftliche Bedeutung: Vor der Westsahara liegen reiche Fischgründe, dann hat es mit die größten Phosphatvorkommen der Welt. Sogar der Sand von dort ist ein begehrtes Exportgut.

Für den Bau?

Eher für die Golfplätze auf La Gomera und Teneriffa.

interview: bes

Diskussion: Andreas Guibeb, Botschafter Namibia, Mhamed Kahdad, UN-Botschafter Polisario, Henrike Müller (Grüne, MdBB) Kerstin Tack (SPD, MdB aus Hannover) 15 Uhr, Haus der Bürgerschaft