Münchner Sicherheitskonferenz

Frieden für Syrien, Entspannung zwischen Ost und West? Wie große Hoffnungen in vielen kleinen Reden zerbröselt sind

Die Feuerpause in Syrien rückt in weite Ferne

Krieg USA und Russland können sich nicht einigen. Moskau bombardiert weiter, Saudis schicken Militärjets in die Türkei

MÜNCHEN taz | Die Aussichten für eine baldige Feuerpause in Syrien und die humanitäre Versorgung der notleidenden Bevölkerung stehen schlecht, weil die entscheidende Voraussetzung weiterhin nicht erfüllt ist. Auch US-Präsident Barack Obama und sein russischer Amtskollege Wladimir Putin konnten sich in einem Telefonat am Sonntag nicht auf diejenigen „terroristischen“ Gruppen einigen, die von den Luftstreitkräften beider Staaten auch nach Inkrafttreten einer Feuerpause weiterhin bekämpft werden dürfen.

Zudem sorgten über das Wochenende nicht nur Russland und die syrischen Regierungstruppen, sondern auch die Türkei und Saudi-Arabien für eine Eskalation des militärischen Konflikts. Obama und Putin vereinbarten nach Mitteilung des Kreml lediglich „eine Kooperation über diplomatische Kanäle und andere Strukturen einzuleiten“ zur Umsetzung der „Münchner Vereinbarung“ vom letzten Freitag.

Darin hatten die 17 Mitgliedsstaaten der „Internationalen Unterstützungsgruppe für Syrien“ (ISSG) – darunter die USA, Russland, Saudi-Arabien, Iran, die Türkei und Katar – eine „Reduzierung der Kampfhandlungen bis zu einer Feuerpause spätestens innerhalb einer Woche“ beschlossen sowie die „möglichst schnelle ungehinderte humanitäre Versorgung der notleidenden Bevölkerung in allen bislang belagerten oder schwer zugänglichen Städten und Regionen“. Die Feuerpause gilt allerdings nicht für den „Islamischen Staat“ und den syrischen Al-Qaida-Ableger Al-Nusra-Front, die weiterhin als „terroristische Gruppen“ militärisch bekämpft werden sollen.

Russland stuft aber auch die beiden islamistisch-salafistischen Rebellengruppen „Islamische Armee“ und „Initiative freier Männer der Levante“ als terroristisch ein, denn sie unterhielten enge Verbindungen zur Al-Nusra-Front. Beide Gruppen werden von Saudi-Arabien und der Türkei unterstützt, aber auch von den USA und der EU als „legitimer“ Teil der Opposition und als Verbündete gegen das Assad-Regime betrachtet. Am Wochenende bemühten sich syrische Regierungstruppen mit Unterstützung der russischen Luftangriffe, die beiden Rebellengruppen aus ihren letzten Stellungen in der Provinz Aleppo zu vertreiben. Auf der Sicherheitskonferenz stellte der russische Außenminister Sergei Lawrow die russischen Bombardements auf eine Ebene mit den Luftangriffen der USA und ihrer Verbündeten gegen den IS.

Zuvor hatte US-Außenminister John Kerry zwar erklärt, Washington und Moskau würden sich „auf die Ziele verständigen“, die von den Luftstreitkräften beider Staaten auch nach einer Feuerpause noch bekämpft werden sollen. Doch das Pentagon teilte mit, es werde keinerlei Absprachen zwischen den Militärs beider Länder über Ziele von Luftangriffen in Syrien geben.

Der republikanische US-Senator John McCain kritisierte auf der Sicherheitskonferenz die Münchner Vereinbarung vom letzten Freitag scharf, weil sie „nur der russischen Aggression Vorschub“ leiste. Russland beorderte unterdessen ein weiteres Kriegsschiff vom Schwarzen Meer in die Unruheregion. Der mit Marschflugkörpern ausgerüstete Raketenkreuzer „Seljony Dol“ werde vor der Küste des Bürgerkriegslands vor Anker gehen, meldete die Agentur Ria Nowosti am Samstag. „Die Teilnahme an Kampfhandlungen ist nicht ausgeschlossen“, erklärte ein Militärsprecher.

Saudi-Arabien bestätigte am Sonntag die Verlegung von Kampfflugzeugen in die Türkei. Das Königreich habe die Maschinen zum Nato-Stützpunkt Incirlik nahe der syrischen Grenze geschickt, sagte ein saudischer Brigadegeneral. Die Maßnahme sei Teil des saudischen Plans, den Kampf gegen die Dschihadisten in Syrien zu intensivieren. Um wie viele Flugzeuge es sich handelt, blieb zunächst unklar. Auch die Verlegung saudischer Bodentruppen in die Türkei wird in Riad erwogen.

Der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu hatte zuvor einen möglichen Bodeneinsatz der Türkei und Saudi-Arabiens gegen den IS in Syrien nicht ausgeschlossen. Die türkische Armee beschoss am Wochenende im Norden Syriens Gebiete unter Kontrolle der kurdischen YPG mit Artillerie.

Andreas Zumach

Ausland SEITE 9,

Meinung + Diskussion SEITE 11