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Zweikampf: Ibisevic (Hertha) und Niedermeier (VfB) Foto: imago

Der heiße Atem des Verteidigers

FUSSBALLWar Herthas Ibisevic bei der Rückkehr in sein altes Stadion zu nervös? Wie auch immer, gegen den VfB Stuttgart kamen die Berliner am Samstag nicht an – sie unterlagen völlig verdient mit 0:2.

Vedad Ibisevic hat in den vergangen Monaten aus dem schwäbischen Sprachraum vieles gehört, was ihm nicht gefallen haben dürfte. Als er im August nach langen Jahren im Badischen und Schwäbischen nach Berlin zurückkehrte, gab es nicht mehr viele VfB-Fans, die glaubten, dass „Vedo“ ihrem Verein noch hätte helfen können. Zu phlegmatisch hatte der in der vergangenen Saison agiert und nur einen einzigen Treffer erzielt. Nun, bei Hertha, steht er für den Aufschwung unter Pál Dárdai. Sechs Treffer in der Liga und zwei im Pokal stehen zu Buche, zum Lohn gab es just die vorzeitige Vertragsverlängerung bis 2017.

Bei seiner Rückkehr nach Stuttgart fing sich die Hertha nun am Samstag eine verdiente 0:2-Niederlage ein, Ibisevic vergab in der 37. Minute die beste Berliner Chance. Doch als ob das nicht schlimm genug gewesen wäre, stellte daraufhin eine Reporterin eine Frage, die ihn nun wirklich kalt erwischte. Ob es der „Nervosität“ bei der Rückkehr geschuldet gewesen sei, dass er nicht getroffen habe. „Nein“, sagte Ibisevic, und in der Schrecksekunde zuvor schien in seinem Kopf alles das abzulaufen, was Fußballspieler so über Journalistenfragen denken.

Weniger Regenerationszeit

Tatsächlich ist es ja wenig wahrscheinlich, dass ein Spieler sich an gemeinsame Skatabende mit dem gegnerischen Verteidiger erinnert, dessen Atem er im Nacken spürt, bevor er schießt. Die Dinge waren banaler: Przemyslaw Tyton, der Ibisevic‘Schuss mit einem tollen Reflex hielt, ist zurzeit einfach nur genauso gut drauf wie die zehn Feldspieler vor ihm. Und die hatten in den letzten 20 Minuten der Partie auch noch die Puste, die der Hertha abging. Nicht unlogisch, wie Hertha-Coach Pál Dárdai fand, dessen Team am vergangenen Mittwoch, also einen Tag später als der VfB, im Pokal ranmusste. Sein Team hatte also über 22 Stunden weniger Zeit zur Regeneration. „Das macht bei diesen Wetterverhältnissen schon etwas aus.“

So sah es auch Sebastian Langkamp, der sich mit Grausen an den tiefbraunen Untergrund erinnerte, der nach zwei verregneten Spielen binnen wenigen Tagen in Stuttgart einen ordentlichen Rasen ersetzt: „Man hat den Kräfteverschleiß gemerkt, wir hatten zu viele Fehlpässe in unserem Spiel.“ Trotzdem hätte es auch gegen die Mannschaft der Rückrunde – der Sieg gegen die Hertha war ja der fünfte Stuttgarter Bundesligasieg in Folge – für die Berliner möglicherweise zu einem Mauer-Punkt gereicht, wenn Per Skjelbred („Wir machen bei beiden Toren Fehler“) nicht recht gehabt hätte. Tatsächlich gingen sowohl dem 1:0 durch Serey Dié (51.) als auch dem 2:0 durch Filip Kostic (84.) Berliner Ballverluste in der Vorwärtsbewegung voraus, den Kostic-Treffer leitete Vladimir Darida mit einem brutalen Fehlpass ein – ungewöhnlich für den ansonsten so zuverlässigen Marathonläufer in der Berliner Mittelfeldzentrale.

Kritik gab es aber nicht – warum auch? So fatal die Aktion war, sie zeigte, was die Berliner Mannschaft 2016 von früheren unterscheidet: Sie sucht mit aller Konsequenz fußballerische Lösungen, statt lange Bälle hinten rauszukloppen. Das kann mal in die Hose gehen, führte aber selbst beim vergleichsweise mittelprächtigen Auftritt in Stuttgart zu zwei, drei Kontersituationen, die so ausgespielt wurden, dass jeder sah, warum diese Mannschaft im oberen Tabellendrittel rangiert.

Dass Salomon Kalou und Mitchell Weiser verletzungsbedingt nicht aufliefen, mochte übrigens keiner im Berliner Dress als Entschuldigung gelten lassen. Auch nicht Ibisevic, der einen atmosphärisch eher unproblematischen Nachmittag am alten Wirkungsort verbrachte. Von den VfB-Fans ausgepfiffen wurde nicht er, sondern Kollege Julian Schieber, der ein paar Einsatzminuten am Schluss bekam und im Gegensatz zu „Vedo“ als fahnenflüchtiger Herzensschwabe gilt. Christoph Ruf