Mietern durch Werbung die Sicht versperrt

VERHÜLLUNG Eigentümer lässt Wohnhausfassade mit Werbung verhängen. Mieter wollen klagen

„Na, der Vermieter bekommt ja Geld dafür. Und sicher nicht nur einen Euro fuffzig“

Die Rentnerin Elisabeth Dittberner steht auf ihrem Balkon im zehnten Stock der Lehrter Straße 75: „Ick gloob, ick spinne!“. Eine grüne Werbeplane hängt vor der Fassade. „Drinnen sieht man gar nichts mehr, es ist immer dunkel.“ 24 Wohnungen sind seit Samstag von der Verhüllung betroffen. Die Mieter wurden vorab nicht informiert.

Die Hausverwaltung Paul Immobilien hatte ohne Vorwarnung ein großflächiges Werbeplakat für einen Billigstromanbieter über zwei Seiten des Hauses und 8 von 13 Stockwerken anbringen lassen. Ein Bauarbeiter spricht aus, was alle vermuten: „Na, der Vermieter bekommt ja Geld dafür. Und sicher nicht nur einen Euro fuffzig.“

Seit Juni wurde die Fassade renoviert und alle Fenster erneuert, erzählt die Mietersprecherin Monika Raasch. Hierfür montierten Arbeiter ein Sicherheitsgerüst. Vorige Woche wurde ein zweites Gerüst vor das erste gebaut. Hartmann Vetter, Hauptgeschäftsführer vom Berliner Mieterverein, meint, das zweite Gerüst sei aufgrund eines Vorsprungs an der Fassade angebracht worden, um eine möglichst große Fläche zu schaffen. „Baulich macht das keinen Sinn“, sagt er. Nach Informationen der Mieter sollten die Arbeiten eigentlich Anfang Dezember beendet sein, nun stehen jedoch angeblich Malerarbeiten an. Raasch hält das für einen Vorwand, die Gerüste stehen zu lassen.

Auch Vetter schließt einen Missbrauch der Bauordnung nicht aus. Diese besagt, dass bestehende Gerüste mit Plakaten behängt werden dürfen. Ob das zweite Gerüste an der Lehrter Straße jedoch aus Bau- oder aus Werbezwecken montiert wurde, steht in Frage. Um das zu klären, beantragen die Mieter eine Prüfung der Genehmigung für die Gerüste bei der Bauaufsicht und klagen auf eine einstweilige Unterlassung. Außerdem stehe ihnen eine Mietminderung von 20 Prozent zu, sagt Vetter. Die Hausverwaltung wollte sich gegenüber der taz dazu nicht äußern.

„Wir fühlen uns verarscht“, sagt Elisabeth Dittberner. Sie sei im Alltag eingeschränkt, habe sogar den Weihnachtsbesuch ausgeladen: „Es ist gar nicht mehr muckelig bei uns.“ Am Dienstag wurden noch zusätzlich Scheinwerfer und Leuchtbuchstaben an der grünen Plane installiert. Die Mieter befürchten nun, dass ihnen zusätzlich noch eine nächtliche Flutlichtbeleuchtung ins Wohnzimmer scheint. LISA GEIGER