Der Sieg ist komplett

aus WARSCHAU GABRIELE LESSER

„Melde gehorsamst, Aufgabe erfüllt“, rief Polens künftiger Präsident Lech Kaczyński, 56, in die Kameras, knallte die Hacken zusammen und hob die Hand zum Soldatengruß. Obwohl er dabei lachte, machte sich im Saal beklemmende Stille breit. Denn der Dank Kaczyńskis galt seinem Zwillingsbruder Jaroslaw Kaczyński. In den nächsten vier Jahren werden in Polen zwei Männer regieren, die sich nicht nur wie ein Ei dem anderen gleichen, sondern auch die gleichen nationalkonservativen und rechtspopulistischen Ansichten vertreten.

„Das ist der glücklichste Tag in meinem Leben“, feierte noch vor zwei Wochen Donald Tusk, 48, von der liberalkonservativen Bürgerplattform den Sieg in der ersten Runde der Präsidentenwahlen. Der Absturz am Sonntag war um so härter. Der jungenhaft wirkende Politiker kämpfte mit den Tränen, als er das verheerende Wahlergebnis sah. Doch er wirkte auch erleichtert, diesen schmutzigen und für ihn menschlich enttäuschenden Wahlkampf hinter sich zu haben. „Ich habe verloren, aber ihr habt gewonnen“, tröstete er seine Anhänger.

Tusk wird dennoch nicht in der politischen Bedeutungslosigkeit versinken. Denn PiS und PO, Sieger der Parlamentswahl vor einem Monat, verabredeten schon vor Wochen: Der Verlierer der Präsidentenwahlen erhalte einen prestigeträchtigen Posten. Tusk wird wohl Parlamentspräsident.

Im Vordergrund steht nun die Regierungsbildung. Bislang traten die Koalitionsgespräche auf dem toten Punkt, weil das Ergebnis der Präsidentenwahl noch ausstand. Für die Bürgerplattform sind die Gespräche nicht nur deshalb schwierig, weil sie zunächst davon ausging, selbst als stärkste Partei aus den Wahlen hervorzugehen und die Richtlinienkompetenz zu übernehmen. Nun ist jedoch auch der eigene Präsidentschaftskandidat gescheitert. „Die Kaczyńskis haben alles genommen“, titelte gestern treffend eine polnische Tageszeitung.

Zwar verzichtete der PiS-Parteiführer Jaroslaw Kaczyński auf das Amt des Premierministers: „Ich will den Menschen nicht zwei identisch aussehende Männer an der Spitze des Staates zumuten“, doch mit der Ernennung des bisherigen Hinterbänklers und Bildungsexperten der PiS, Kazimierz Marcinkiewicz, zum designierten Premier machte er klar, dass er die Fäden in der Hand behalten und die Regierungspolitik aus den Kulissen heraus lenken will. Die politischen Ziele der Bürgerplattform dürften also in einer Koalition mit der PiS leicht unter die Räder geraten.

Zudem muss sie damit rechnen, dass der breite rechte Wählerrand der PiS lautstark und radikal die Erfüllung der populistischen Wahlversprechen einfordern wird: niedrigere Steuern, höhere Renten und Sozialhilfe, bessere und billigere Gesundheitsversorgung, billige Wohnungen, mehr Arbeit in Staatsbetrieben und nicht zuletzt die „moralische Revolution“.

Sowohl Andrzej Lepper von der linkspopulistischen Bauernpartei Selbstverteidigung (Samoobrona) als auch Roman Giertych von der rechtsradikalen Liga der polnischen Familien (LPR) und Pater Tadeusz Rydzyk vom katholisch-antisemitischen Sender „Radio Maryja“ werden ihre Forderungen stellen – mit Verweis darauf, dass es ihre Anhänger waren, die Lech Kaczyński zum Sieg verhalfen. Das kann nicht nur eine Radikalisierung der polnischen Gesellschaft nach sich ziehen: die Verlierer der Reformen gegen die Gewinner, sondern auch den Untergang der Bürgerplattform. Denn die Recht und Gerechtigkeit wird immer auf den Sündenbock PO verweisen, um ihre Wähler zu beruhigen, zugleich aber bei der Stange zu halten: „Wir würden euch ja gerne eine höhere Rente geben, aber unser Koalitionspartner will nicht.“ Ob das Ende aller Wahlen nun tatsächlich zu einer stabilen Regierungskoalition in Polen führt, ist noch offen.