Unglücklich gelaufen

GELD Die GLS-Bank weist eine behinderte Kundin und ihre Betreuerin zunächst ab – und entschuldigt sich später. Behindertenorganisationen kritisieren geplantes Gesetz

Aber bitte mit Karte – Geld aus dem Automaten gibt es nicht für jeden Foto: David Freigner/Zoonar

Von Hermannus Pfeiffer

HAMBURG taz | Der Fall ist einmalig. Die „alternative“ GLS Bank weist eine behinderte Verbraucherin ab. Auslöser: Die langjährige Kundin leidet unter einer geistigen Behinderung und hat seit Kurzem eine gesetzliche Betreuerin, die sich um ihre Geschäfte kümmert. Eine „freiwillige Betreuung“, wie die Bankkundin betont. Als ihr Berater in der Hamburger Niederlassung der GLS Bank, bei der die Frau ein Konto führt, davon erfuhr, soll die Bank das Konto mit dem darauf liegenden Geld Ende Dezember eingefroren und ihr nahegelegt haben, doch zu einer Filialbank zu wechseln.

Der Fall wird von einem Sprecher der GLS Bank in Bochum grundsätzlich bestätigt. Dort sieht man die Abweisung allerdings eher als Unfall an. Aus Sicht der GLS Bank, die seit fünf Jahrzehnten heilpädagogische Einrichtungen unterstützt, sei dieser spezielle Fall „ein bisschen unglücklich gelaufen“. Prokurist Christof Lützel versichert: „Grundsätzlich kriegt jeder Interessent bei uns ein Konto, unabhängig von Nationalität, Einkommen oder Beeinträchtigungen.“

Bei der Kundin habe ein „junger Mann“ in einer der sieben Filialen „sehr praktisch gedacht“: Bei der Sparkasse könne Bargeld ausgegeben werden – im Gegensatz zur GLS Bank, bei der als Direktbank diese Möglichkeit nicht bestehe. „Die Sparkasse wäre für den vorliegenden Fall daher eventuell besser geeignet.“

Auf diese Weise eine Behinderte und ihre Betreuerin „zu vertrösten“, findet GLS-Pressesprecher Lützel allerdings „unglücklich“. Man habe aber an einer Lösung gearbeitet und nun der Frau Konto und EC-Karte angeboten. Mit der könne sie bundesweit an jedem Geldautomaten Bargeld bis zu 50 Euro pro Woche abheben. Das entspreche den richterlichen Vorgaben für die Betreuung. Bei der Verbraucherin hat sich eine Vertreterin der Bank inzwischen entschuldigt. Die Betroffene gibt an, das Angebot der Bank akzeptieren zu wollen: „Jeder macht doch mal einen Fehler, und wenn man daraus lernt, ist es dann auch okay.“

Wann:Jahrelang hat sich die Finanzbranche dagegen gewehrt – nun soll es doch kommen, das Konto für alle. Voraussichtlich im ersten Halbjahr 2016 soll das entsprechende Gesetz in Kraft treten.

Was: VerbraucherInnen haben dann Anspruch auf ein Konto auf Guthabenbasis, mit dem sie unter anderem Geld abheben, Überweisungen tätigen oder Lastschriften aufgeben dürfen. Kostenlos muss das Konto nicht sein – die Banken dürfen „angemessene Entgelte verlangen“.

Wer: Den Anspruch hat, wer sich „rechtmäßig“, so der Gesetzentwurf, in der EU aufhält, also etwa auch Asylsuchende oder Geduldete. In einzelnen Fällen dürfen Banken das Konto dennoch verweigern – zum Beispiel, wenn sich ein Kunde wegen Geldwäsche strafbar gemacht hat.

Weg: Wird das Konto verweigert, können Abgewiesene sich an eine Schlichtungsstelle wenden oder klagen.

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Aus Sicht von Behindertenverbänden ist der Fall ein Einzelfall in der Finanzbranche. Zumindest aktuell. In der Vergangenheit habe es öfters Probleme mit privaten Banken gegeben. Davon sei aber zuletzt nicht mehr die Rede gewesen, heißt es etwa beim Sozialverband VdK Deutschland. Auch bei der Bundesvereinigung Lebenshilfe sagt die zuständige Fachreferentin Bettina Leonhard: „Es sind in den letzten drei Jahren keine Beschwerden oder Anfragen eingegangen, die darauf schließen lassen, dass Menschen aufgrund ihrer Behinderung ein Konto verweigert wurde.“

Auf Kritik bei Behindertenorganisationen stößt allerdings der von der schwarz-roten Bundesregierung vorgelegte Entwurf eines Zahlungskontengesetzes (siehe Kasten). Das Gesetz schreibt einen Anspruch auf ein Girokonto für alle Bürger auf Guthabenbasis vor. Ausdrücklich als Zielgruppe des Gesetzes werden zwar Obdachlose und Flüchtlinge genannt, nicht aber behinderte Menschen.