„Abbrüche sind tabuisiert“

SEXUALITÄT Pro Familia Bremen wurde vor 40 Jahren gegründet und kämpft mit den selben Problemen

■ ist Sozialwissenschaftlerin und Geschäftsführerin von Pro Familia Bremen.

taz: Frau Siebe, pünktlich zum Pro Familia-Jubiläum fordert die FDP, armen Menschen die Kosten für Verhütungsmittel zu zahlen anstatt „massenhaft Abtreibungen zu finanzieren“. Was halten Sie davon?

Annegret Siebe: Von der Verknüpfung der beiden Themen halte ich gar nichts. Wir setzen uns dafür ein, dass der Staat bei armen Menschen die Kosten für Verhütung übernimmt. Eine Frau, die von 359 Euro im Monat leben muss, kann sich die Pille, die monatlich 13 Euro kostet, kaum leisten. Aber es ist genau so wichtig, die Kosten für Schwangerschaftsabbrüche zu übernehmen – wenn man so wie wir das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung ernst nimmt.

Aber die Abbruchzahlen könnten tatsächlich sinken.

Kein Verhütungsmittel ist zu 100 Prozent sicher, es wird immer ungewollte Schwangerschaften geben. Die Forderung nach freien Verhütungsmitteln mit der Abbruchquote zu verknüpfen, heißt, dass Schwangerschaftsabbrüche immer noch tabuisiert sind, dass man damit negative Stimmung machen kann. Wir arbeiten daran, die Abbruchzahlen zu reduzieren, indem wir sexualpädagogische Seminare und Verhütungsberatung anbieten.

Muss man in Zeiten des Internet noch Sex erklären?

Es gibt neben denen, die ein verstörendes und falsches Bild von Sexualität entwerfen, sehr informative Seiten. Trotzdem bleiben Fragen offen, die auch andere Generationen beschäftigt haben, das merken wir in der Arbeit mit Schulklassen. „Wir groß muss ein Penis sein“ zum Beispiel. Hinzu kommt, dass Wissen nicht ausreicht, man muss es umsetzen können. Also sich trauen, den Jungen zu fragen, ob er ein Kondom benutzt und ob er weiß, wie man es anwendet. Interview: eib

Jubiläumsfeier im Rathaus: 14 Uhr