Der Darm und was ihn beeinflusst

Darm: Etwa acht Meter lang ist der Darm mitsamt seinem Dünndarm. Das Organ soll so groß wie ein Tennisplatz sein, wenn es möglich wäre, die ganzen Zotten und Ausstülpungen auf einer Fläche gerade auszulegen. Im Laufe eines menschlichen Lebens verdaut der lange Muskelschlauch rund 50.000 Liter Flüssigkeit und 30.000 Kilogramm feste Nahrung.

Enterisches Nervensystem: Es ist die Steuerzentrale im Darm und hat viel zu erledigen. Es nimmt Nährstoffe auf, schüttet Verdauungsenzyme aus und steuert den Blutfluss. Hilfe bekommt es dabei von Hormonen, die auch im Darm produziert werden. Gut, dass der Darm ein eigenes Nervensystem hat. Unser Gehirn wäre mit diesen Aufgaben nämlich überfordert.

Legt man ein Stückchen des Darms in eine Nährlösung, arbeitet der Darm einfach weiter. Eine Lunge kann außerhalb des Körpers nicht atmen, eine Leber nicht entgiften. Das Darmstück aber zieht sich auch in einer Petrischale zusammen und erschlafft wieder, als ob es das Essen weiterbefördern wollte. Möglich macht das das enterische Nervensystem. Gut verpackt liegen diese Zellen zwischen den Muskelschichten und in der Schleimhaut des Darms. Etwa 100 Millionen Zellen sind es – das sind mehr als das Rückenmark insgesamt besitzt.

Ernährung: Es gibt Hinweise, dass das Mikrobiom auf den Verlauf von Krankheiten wirken kann. Wenn man annimmt, dass Gesundheit durch den Darm geht, welchen Einfluss hat unser Essen? Auf ihrem Kongress Ende September 2015 präsentierte die Deutsche Gesellschaft für Neurologie neue Forschungsergebnisse.

So hat wahrscheinlich Kochsalz eine entzündungsfördernde Wirkung bei Multipler Sklerose (MS). Und einige Fettsäuren in der Nahrung scheinen den Verlauf bei MS zu beeinflussen. Langkettige Fettsäuren verändern bestimmte Immunzellen. Das hat zur Folge, dass der Entzündungsprozess weiter voranschreitet.

Kurzkettige Fettsäuren könnten eine Lösung dagegen sein. Wissenschaftler der Universitätskliniken Bochum und Erlangen arbeiten jetzt bereits an einer Fettsäurediät für MS-Patienten.

Mikrobiom: Es bezeichnet die Gesamtheit aller mikrobiellen Gene im Organismus. Das Mikrobiom steht momentan im Forschungsfokus, aber wird noch nicht umfassend verstanden. Dank der sogenannten Hochdurchsatzsequenzierung lassen sich die Gene leichter als früher bestimmen. Gibt man „brain gut microbiome“ im Medizinportal pubmed ein, erscheinen 171 Studien. Alle sind in den vergangenen fünf Jahren erschienen.

Mikrobiota: Die Anzahl aller Mikroorganismen im Darm werden Mikrobiota genannt. Seit einigen Jahren weiß man, dass die Darmbakterien eine wichtige Rolle in der Darm-Hirn-Achse spielen. Billionen von Mikroorganismen bevölkern den Darm, beispielsweise Bakterien, Hefen und Bakteriophagen, also Viren, die fremde Viren angreifen.

Ein bis zwei Kilogramm sollen die Darmbewohner auf die Waage bringen. Neben seiner vornehmsten Aufgabe – Nahrung zu verdauen – kann die Darmflora auch Botenstoffe herstellen und ist in ständigem Kontakt mit dem Gehirn.

Neurochemie: Die oft herangeholte Bezeichnung des Darms als „zweites Gehirn“ ist nicht ganz falsch, auch wenn die Zellen des enterischen Systems natürlich nicht denken können. Trotzdem sind sie den Gehirnzellen neurochemisch sehr ähnlich. Es sind dieselben Zelltypen, Wirkstoffe und Rezeptoren. Und genau wie die Gehirnzellen produzieren sie Botenstoffe, darunter Serotonin und Dopamin.

Im Organismus besitzt Serotonin vielfältige Wirkungen. Medikamente mit dem Stoff können nicht nur bei Depressionen helfen, sie kurbeln auch die Darmmotorik an. Bestimmte Antidepressiva tun daher auch Patienten gut, die stark unter Magen- und Darmerkrankungen leiden.

Probiotika: Die Zubereitung, die lebensfähige Mikroorganismen enthält, kann die Heilung von Krankheiten unterstützen, vermutet der Neurologe Ulrich Dirnagl von der Berliner Charité. Er hatte festgestellt, dass viele Patienten nach einem Schlaganfall zusätzlich noch an einer Lungenentzündung erkrankten. Er fand heraus, dass die Schutzwälle des Darms nach einem Hirninfarkt zusammenbrechen. Zusätzlich stören Antibiotika, die 30 bis 50 Prozent der Schlaganfallpatienten bekommen, die Mikroben im Darm. In Zukunft könnte man den Heilungsprozess mit Probiotika unterstützen. „Die Patienten schlucken dann Bakterienarten, die das Mikrobiom positiv verändern“, hofft der Charité-Professor.

Vagusnerv: Zwischen Darm und Kopf herrscht reger Verkehr. Zum einen leitet der Vagusnerv Signale weiter. Die sogenannten afferenten Fasern schicken Informationen vom Darm an das Gehirn. Die efferenten Fasern des Vagusnervs senden dagegen Signale vom Gehirn. Der Anteil des Gehirns am Verkehr ist aber vergleichsweise bescheiden. Etwa 90 Prozent der Nachrichten schickt der Darm nach oben. Darüberhinaus sind an den Sendungen noch andere Spieler beteiligt, wie Hormone, Immunmoleküle und Stoffwechselprodukte von Bakterien. ASF