20 Jahre Brand in Flüchtlingsheim: Anschlag in Lübeck weiter ungesühnt

Vor 20 Jahren starben in der Lübecker Hafenstraße zehn Flüchtlinge. Ob Neonazis oder Hausbewohner das Feuer legten, ist bis heute nicht geklärt.

Ausgebranntes Haus vor dem zwei mobile Kräne stehen

Die Ruine der Flüchtlingsunterkunft in der Lübecker Hafenstraße (Archivbild, 1996) Foto: dpa

LÜBECK dpa | In den Nachthimmel lodernde Flammen, verzweifelte Menschen, die in Todesangst aus Fenstern springen: Der 18. Januar 1996 ist als einer der schrecklichsten Tage der jüngeren Geschichte in die Annalen der Hansestadt Lübeck eingegangen. Damals starben bei einem Feuer in einer Flüchtlingsunterkunft in der Hafenstraße zehn Menschen, darunter sechs Kinder. 38 Hausbewohner wurden zum Teil schwer verletzt.

Mit einer Demonstration erinnerten am Samstag in der Hansestadt rund 600 Menschen an die Tragödie und forderten eine Änderung der europäischen Flüchtlingspolitik, damit sich eine solche Katastrophe nicht wiederholt.

„Refugees welcome“ stand auf einem Transparent, hinter dem Menschen aus allen Teilen der Gesellschaft durch die Innenstadt zogen. „Wir fordern sicheren Aufenthalt, Sprachkurse und Arbeitsmöglichkeiten für alle Geflüchteten, egal aus welchem Land sie kommen. Das sind wir den Opfern des 18. Januar 1996 schuldig“, sagte Maria Brinckmann vom Lübecker Flüchtlingsforum.

Die von Bürgermeister Bernd Saxe (SPD) Anfang des Jahres in einem Interview geäußerten Pläne, bis zu 1.000 ausreisepflichtige Flüchtlinge abzuschieben, nannte sie empörend.

Festnahmen, aber keine Anklagen

Die genauen Hintergründe des verheerenden Brandes vor 20 Jahren sind bis heute nicht geklärt. Fest steht nur, dass das Feuer im ersten Stock des Hauses gelegt wurde. Doch wer die Brandstifter waren – Hausbewohner, wie die Staatsanwaltschaft vermutete oder Täter mit ausländerfeindlichem Hintergrund, wie vor allem linke Gruppen und Flüchtlingsorganisationen bis heute glauben – ist juristisch nie geklärt worden.

Ein zwei Tage nach dem Brand unter dringendem Tatverdacht festgenommener Hausbewohner wurde von zwei Gerichten – dem Landgericht Lübeck im Juni 1997 und dem Landgericht Kiel im November 1999 – freigesprochen. Er war in Verdacht geraten, weil er zu einem Zeugen gesagt haben soll: „Wir waren‘s.“ Im Prozess sagte er dagegen aus, er habe mit den Worten „Die waren‘s“ ausländerfeindliche Täter gemeint.

Vier junge Männer aus der rechten Szene Mecklenburg-Vorpommerns, die die Polizei noch in der Brandnacht festgenommen hatte, wurden dagegen trotz versengter Haarspitzen und Augenbrauen wieder laufen gelassen.

Vorwürfe und Vermutungen

Die Prozesse waren von Anfang an auch ein Politikum. Vor allem linke Gruppen warfen der Justiz vor, einseitig ermittelt und Beweise für einen ausländerfeindlichen Anschlag unterdrückt zu haben. Es gab mehrfach Forderungen nach einer Wiederaufnahme der Ermittlungen, die jedoch stets abgelehnt wurden. Andere Prozessbeobachter äußerten dagegen die Vermutung, die Hausbewohner hätten durch ihre Aussagen den Verdacht von der Hausgemeinschaft ablenken wollen.

Am Jahrestag des Brandes am Montag haben die Hansestadt Lübeck und verschiedene Flüchtlingsorganisationen zu einer Gedenkveranstaltung am Mahnmal für die Opfer der Brandkatastrophe eingeladen. Der schlichte Gedenkstein mit den Namen aller Opfer steht gegenüber der Stelle, wo das 1997 abgerissene Wohnheim stand. Für die Hansestadt Lübeck wird Innensenator Bernd Möller (Grüne) einen Kranz niederlegen.

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