„Keine Frage der Vorbildung“

AUSBILDUNG Ein Experte erklärt, warum Juristen genauso gut Mediatoren werden können wie Landwirte oder Soldaten – und was sie neben Lebenserfahrung dafür sonst mitbringen müssen

Braucht Empathie: Mediation   Foto: Jochen Lübke/dpa

Interview Andreas Schnell

taz: Herr Metzger, wenn ich Mediator werden möchte, was muss ich mitbringen?

Tilman Metzger: So einfach lässt sich das nicht sagen. Das hängt unter anderem davon ab, in welchem Bereich Sie Mediator werden möchten.

Ich muss aber kein Jurist sein?

Es gibt Bundesverbände, die fordern, dass man zwei Jahre Berufserfahrung mitbringen sollte, andere Verbände sagen, dass es darauf nicht ankommt. Meine persönliche Meinung ist, dass man die Bereitschaft haben muss, sich persönlich zu entwickeln. Die Fähigkeit, zu vermitteln und sich nicht in einen Konflikt verwickeln zu lassen, setzt voraus, dass man die Perspektive wechseln und auf beide Seiten gleichermaßen eingehen kann. Im Alltag ergreift man bei polarisierenden Fragen oft Partei. In der Mediation muss ich davon ausgehen, dass beide Parteien ihre guten Gründe haben, die es herauszuarbeiten gilt.

Solch eine Fähigkeit lässt sich an einem Abschluss nicht ablesen ...

Ich bin überzeugt davon, dass jeder und jede mit Lebens- und Berufserfahrung etwas mitbringt, was ihm oder ihr in der Mediation nützt, aber auch Dinge, die er oder sie verlernen muss. Juristen bringen typischerweise Fähigkeiten mit, die in der Mediation zum Beispiel bei der Erfassung der Themen und bei der Formulierung der Vereinbarungen wichtig sind. Aber in anderen Dingen sind sie oft nicht so gut, zum Beispiel darin, empathisch auf Menschen zuzugehen, mit den heftigen Emotionen umzugehen, die es in der Mediation gibt. Das können umgekehrt Sozialpädagogen oder Psychologen gut, aber wenn es darum geht, klar und gut zu strukturieren, stehen sie häufig vor Herausforderungen. Ich habe schon Landwirte, Pastoren und Soldaten ausgebildet – das ist für mich wirklich keine Frage der Vorbildung.

Müsste nicht je nach Voraussetzungen die Ausbildung unterschiedlich aussehen?

Ich würde eher sagen, dass es eine Herausforderung für Ausbilder ist, auf unterschiedliche Menschen einzugehen. Eine gute Ausbildung zeichnet sich dadurch aus, dass den Ausbildern klar ist, dass jeder etwas anderes lernen muss.

Es gibt ja sehr unterschiedliche Mediationsausbildungen – das reicht vom schlichten Volkshochschul-Kurs bis hin zum Masterstudium. Ist ein Abschluss gleich viel wert wie der andere?

Das hängt davon ab, was ein Teilnehmer möchte. Wer sich auch wissenschaftlich mit Mediation beschäftigen möchte, ist in einem Masterstudiengang gut aufgehoben. Aber natürlich macht man dort auch Dinge, die nicht unmittelbar relevant für die Praxis sind. Die Frage ist eher, ob der Teilnehmer lieber eine enge Begleitung durch wenige Trainer haben möchte, oder lieber viele verschiedene Trainer haben möchte, um aus der Vielfalt zu lernen. Das ist eine grundlegende Frage, die sich jeder stellen sollte.

Wie lange dauert die Mediatorenausbildung?

Tilman Metzger

Foto: Hans-Juergen Wege

51, hat 1985 in Belfast beim Versöhnungsbund während seines Zivildienstes die Mediation gelernt. Der gelernte Jurist ist hauptberuflich Mediator sowie Mitbegründer des Bundesverbands Mediation und dort auch Mitglied im Ältestenrat.

Die drei großen Verbände haben Mitte der Neunzigerjahre einen Standard entwickelt, der als Minimum 200 Stunden vorsieht. In der Regel ist die Ausbildung berufsbegleitend und die 200 Stunden sind auf ein Jahr verteilt.

Wie viel Geld muss ich für die Ausbildung anlegen?

Zwischen 3.500 und 6.000 Euro.

Mediation taucht in den unterschiedlichsten Kontexten auf. Wie gut ist man nach 200 Stunden Ausbildung auf verschiedene Einsatzgebiete vorbereitet?

Es gibt zwei große Anwendungsfelder der Mediation, die Mediation in Betrieben und die Familienmediation. Es gibt Institute, die sich spezialisiert haben. Da ist der Anspruch durchaus, dass man nach 200 Stunden gute Startbedingungen in dem speziellen Feld hat. Es gibt aber viele weitere Anwendungsfelder für die es keine oder nur wenige spezialisierte Ausbildungen gibt. Wirklich wichtig sind tatsächlich die allgemeinen Methoden und die allgemeine Haltung der Mediation. Die Spezialisierung lässt sich in Fortbildungen und in der Praxis nachholen.