Überfall am Bahnsteig

Gewalt Nach einer Nazi-Demo werden zwei Rechtsradikale schwer verletzt, einer von ihnen lebensgefährlich. Die Polizei vermutet: Die Täter kommen aus der linken Szene

Die Polizei in Sachsen-Anhalt sucht nach Zeugen des Vorfalls Foto: Jens Wolf/dpa

von Michael Bartsch

In Oschersleben westlich von Magdeburg ist am späten Samstagnachmittag eine Gruppe rechter Demonstranten gezielt angegriffen worden. Dabei wurden am Bahnhof zwei junge Männer schwer verletzt, acht konnten nach Polizeiangaben fliehen. Ein 34-Jähriger schwebt nach einer Notoperation am Kopf seit Sonntag nicht mehr in Lebensgefahr. Ein zweiter Verletzter hat das Krankenhaus nach eigenem Entschluss verlassen. Die Geschädigten stammen alle aus Oschersleben und befanden sich auf dem Rückweg von einer Nazi-Demonstration zum 71. Jahrestag der Bombardierung Magdeburgs. Dieser relativ kleinen Kundgebung mit 230 Teilnehmern standen am Sonnabend 10. 000 Gäste der „Meile der Demokratie“ gegenüber.

Aus dem äußeren Erscheinungsbild der Angreifer und aus Rufen, die Zeugen gehört haben wollen, schließt die Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Nord auf deren linksautonome Orientierung. Die Gruppe von 20 bis 25 Personen war mit Baseballschlägern, Holzlatten und Eisenstangen bewaffnet. Die schwarz Vermummten versteckten sich offenbar am Bahnhof, lauerten den Aussteigenden auf und griffen nach Abfahrt des Zuges an. Die Täter konnten alle fliehen. Bei der Polizeidirektion ist eine vierköpfige Ermittlungsgruppe eingerichtet worden, die sich ausschließlich diesem Überfall widmet und Zeugen sucht.

Bereits am Freitag waren im Vorfeld der Magdeburger Demonstrationen vier Polizisten wahrscheinlich durch Linke verletzt worden. Samstagabend sprach die Polizei dann am Bahnhof Magdeburg-Neustadt 80 Platzverweise gegen Gruppen aus, die einen Zug mit 40 Nazi-Demonstranten erwarteten.

Ob es sich in Oschersleben um eine Reaktion von Linksautonomen auf die Verwüstung des Leipziger Szeneviertels Connewitz am 11.Januar handelte, bleibt Spekulation. Die in Connewitz beheimatete sächsische Landtagsabgeordnete Juliane Nagel (Linkspartei) wollte sich an solchen Mutmaßungen nicht beteiligen. Sie könne aber mit hoher Wahrscheinlichkeit ausschließen, dass die Täter von Oschersleben aus Sachsen oder Leipzig kämen, sagte sie.

Die Vermummten versteckten sich offenbar am Bahnhof

Zuvor hatte Wulf Gallert, Linken-Spitzenkandidat zur Landtagswahl in Sachsen-Anhalt, den Überfall verurteilt. „Er erhöht die Akzeptanz für die tägliche rechtsradikale Gewalt“, twitterte er. Ähnlich äußerte sich der Grünen-Abgeordnete Sebastian Striegel. „Wer Nazis schwer verletzt, bedient sich ihrer Methoden und wird ihnen ähnlicher, als er denkt“, schrieb er.

Der Linken-Abgeordneten Henriette Quade ist allerdings auch aufgefallen, dass Eisenstangen sonst eher nicht zur „Bewaffnung“ von Linksextremen gehörten. Mutmaßungen über eine mögliche auswärtige Herkunft der Täter werden durch die Tatsache befeuert, dass in der Magdeburger Börde eher rechte Gruppierungen dominieren. „Oschersleben ist nicht gerade ein Hort der linken Szene“, sagt die Landtagsabgeordnete.