Handball-EM in Polen: Kein Regenbogen am Arm

Bei der Handball-EM wollte Schwedens Kapitän Karlsson mit ein Zeichen gegen Homophobie setzen. Doch der Verband hat was dagegen.

Der Handballer Tobias Karlsson auf dem Spielfeld mit Regenbogen-Kapitänsbinde

Eindeutiges Zeichen: Tobias Karlsson mit Regenbogen-Kapitänsbinde bei einem Freundschaftsspiel im Januar 2016 in Malmö. Foto: imago/Bildbryan

STOCKHOLM taz | „Das ist traurig“, sagt Tobias Karlsson: „Warum lässt man uns nicht unseren Standpunkt zu einer Frage, wie man Mitmenschen behandeln soll, zum Ausdruck bringen?“ Nach einem Training in Breslau am Donnerstagnachmittag hatte der Kapitän der schwedischen Handballnationalmannschaft erfahren, dass er nicht mit einer regenbogenfarbenen Kapitänsbinde spielen darf. Das sollte ein Zeichen des schwedischen Teams gegen Homophobie sein, die auch in Polen weit verbreitet ist.

Einen Tag vor Beginn der Europameisterschaft in Polen hat der Europäische Handballverband EHF überraschend eine „Klarstellung“ veröffentlicht, wonach „Kapitänsbinden Teil der Spielkleidung“ des jeweiligen Teams seien und deshalb nur einfarbig oder in den Nationalfarben sein dürften.

Eine plötzliche Kehrtwende: Noch Anfang der Woche hatte der EHF nichts gegen die öffentlich angekündigte Absicht Karlssons einzuwenden gehabt, bei der EM eine regenbogenfarbene Binde zu tragen.

Auch in der Vergangenheit hatte der EHF keine Probleme mit den Regenbogenfarben auf einer Kapitänsbinde gehabt. In der Champions League, einem EHF-Turnier, hatte beispielsweise der Kapitän der schwedischen Erstligamannschaft IFK Kristianstad, Johan Jepson, diese getragen – auch bei einem Spiel im Oktober im polnischen Kielce. Es war Jepson gewesen, der Karlsson, den 34-jährigen Abwehrchef der SG Flensburg-Handewitt, auf die Idee mit der Regenbogenbinde gebracht hatte.

Kristianstad hatte die letzten vier Jahre mit einer Binde in deutschen Farben gespielt: „Wir hatten die mal bei einem Trainingslager in einer Umkleidekabine gefunden und dachten, das ist ein cooler Gag“, erzählt Jepson. Als der Klub mit Schwarz-Rot-Gold die schwedische Meisterschaft errungen hatte, „überlegte ich, dass wir nun eine neue haben sollten und kam auf die Regenbogenfarbene.

Nun sollen die Zuschauer helfen

Der Verein habe mitgezogen und gleich 100 Stück anfertigen lassen, damit man nun bei nationalen und internationalen Begegnungen auch jeweils eine an den Kapitän der gegnerischen Mannschaft verschenken kann: „Viele haben positiv reagiert, viele gar nicht und das interpretiere ich so, dass alle es positiv finden. Jedenfalls gibt es die Binde jetzt schon überall in Europa, und einige haben sie zumindest im Spiel gegen uns auch getragen.“ Auch in allen Jugendmannschaften komme sie zum Einsatz, sagt Jepson, der für die diesjährige QX-Gaygala im Februar in Stockholm zum „Hetero des Jahres“ nominiert ist.

Im Herbst des vergangenen Jahres hatte er dann Tobias Karlsson gefragt, ob der eine Binde für die Europameisterschaft haben wolle. Über dessen spontane Zusage habe er sich sehr gefreut. „Klar“, sagt Karlsson, der die Binde bei den letzten Begegnungen der Nationalmannschaft schon getragen hat: „Das ist ja eine kluge Art, um zu vermitteln, wofür wir im schwedischen Handballsport stehen.“

Bjarte Myrhol

„Sollten Pfiffe von der Tribüne kommen, wird mir das vollkomen egal sein“

Nach dem schwedischen Nationalteam hatten in den vergangenen Tagen auch die Mannschaftskapitäne von Norwegen und Island angekündigt, in Polen mit der Binde in den Regenbogenfarben spielen zu wollen. „Sollten Pfiffe von der Tribüne kommen, wird mir das vollkommen egal sein“, hatte der norwegische Kapitän Bjarte Myrhol noch wenige Stunden vor dem EHF-Verbot erklärt. „Es bedarf wohl keiner großen Spekulation, dass Druck seitens des Veranstalterlands Polen hinter dem plötzlichen Meinungswandel steht“, meint die norwegische Tageszeitung Aftenposten. Das vermutet auch Karlsson selbst: Es habe ja einige Medienaufmerksamkeit in Polen gegeben.

Die jetzige Entwicklung hat eine Parallele: Bei der Leichtathletik-WM in Moskau 2013 hatte die schwedische Hochspringerin Emma Green mit ihren Fingernägeln Aufmerksamkeit erregt. Die hatte sie für das Qualifikationsspringen demonstrativ in Regenbogenfarben lackiert und das auf Instagram gezeigt. Ein Protest gegen die russischen Anti-Gay-Gesetze. Beim Hochsprungfinale durfte sie diesen „Nagelprotest“ nicht wiederholen. Der Weltverband hatte mit Disqualifikation und Bußgeld gegen den schwedischen Verband gedroht.

Tobias Karlsson hat nun an die schwedischen Fans appelliert, auf den Tribünen „Farbe“ zu zeigen. Vor den Spielen seiner Mannschaft will er jeweils einige Regenbogenbinden an ZuschauerInnen verteilen: „Wenn ich schon nicht darf, sollen sie die damit verbundene Botschaft verbreiten.“

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