Schlechte Verbindung mit Kim Jong Un

GELD Der ägyptische Mobilfunkkonzern Orascom hat drei Millionen Nordkoreaner mit Handys versorgt. Nun steht der Auslandsdeal vor dem Ende

Ägyptisches Netz in Nordkorea: Parkszene in Pjöngjang Foto: reuters

SEOUL taz | Eine winkende Bevölkerung am Straßenrand, ein allmächtiger Diktator im Herrscherhaus – Nordkorea inszeniert sich nur allzu gern als geschlossener, zentralistischer Staat. Doch hinter der Fassade herrscht ein konfuser Kampf um die Führung des Regimes, und manchmal zeigt sich die innere Zerrissenheit des Landes auch nach außen. Jüngstes Beispiel: der Telekommunikations­markt.

2008 hatte der ägyptische Multimilliardär Naguid Sawiris das nordkoreanische Mobilfunknetz praktisch aus dem Nichts aufgebaut. Nur ein kleiner Teil der Bevölkerung verfügte damals über Festnetzleitungen, und so sah der Chef des Orascom-Konzerns in jedem der 24 Millionen Nordkoreaner einen potenziellen Kunden. Für Reisende und Diplomaten im Land bauten die Ägypter sogar ein zusätzliches Handynetz auf, mit dem man auch im Internet surfen und Auslandstelefonate führen kann. Es gab viele Skeptiker – dennoch stieg Sawiris als größter ausländischer Investor in Kim Jong Uns Despotenstaat ein. Der 61-jährige Tycoon hatte in seiner Unternehmerkarriere bereits ganz andere Risiken auf sich genommen: Im Irak investierte er, kurz nachdem dort die letzten Bomben gefallen waren, auch in Algerien behauptete er sich in schwierigem Umfeld. Doch Nordkorea, so lernte Sawiris jetzt, spielt nach ganz ­eigenen Regeln.

Orascom galt lange als eine der wenigen internationalen Erfolgsgeschichten Nordkoreas: Der Mobilfunkanbieter Koryolink, zu drei Vierteln von Orascom und zu einem Viertel vom Telekommunikationsministerium gehalten, hat nahezu 3 Millionen Kunden. Telefonierende Spaziergänger gehören längst zum Stadtbild Pjöngjangs – und Touristen posten ihre Smartphone-Schnappschüsse von Kim-Il-Sung-Statuen nun auf Instagram und Facebook.

Seit einigen Monaten bekommt Orascom jedoch seine Gewinne nicht mehr aus dem Land transferiert. Der Profit wird nämlich in nordkoreanischen Won gehalten, einer Währung, die international nicht gehandelt wird und außerhalb Nordkoreas völlig nutzlos ist. „In Won Geschäfte zu machen bedeutet letztendlich, dass man Nordkorea quasi über den Wert der Profite entscheiden lässt“, sagt Reuters-Korrespondent James Pearson, der auch ein Buch über die boomende Privatwirtschaft im Land geschrieben hat.

Und so haben Orascoms ­Anteile nach dem künstlich hochgehaltenen Dollar-Wechselkurs einen stolzen Wert von 585 Millionen Dollar. Wenn man den Schwarzmarkt-Wechselkurs nimmt, sind es gerade mal 7,2 Millionen.

Pjöngjang steht also vor dem Dilemma, sich die Auszahlung nach dem selbst propagierten Kurs nicht leisten zu können. Das jährliche Handelsvolumen des Landes beträgt gerade einmal 8 Milliarden Dollar. Gleichzeitig würde eine Auszahlung des realen Wertes bedeuten, den Schwarzmarkt-Wechselkurs offiziell anzuerkennen.

Zum Entsetzen der Ägypter hat Nordkorea nun ein staatseigenes Mobilfunkunternehmen als Konkurrenz zu Koryolink gegründet, das bei einer bevorstehenden Zwangsfusionierung den Mehrheitsanteil der Ägypter zunichtemachen würde. Orascom hat also praktisch die Kontrolle über sein Investment verloren.

Orascom galt lange als eine der wenigen internationalen Erfolgsgeschichten Nordkoreas

Obwohl Nordkorea händeringend Erfolgsstorys braucht, um die benötigten Devisen ins Land zu bekommen, scheint der totalitäre Staat gleichzeitig alles dafür zu tun, internationale Unternehmen zu vergraulen. „Die Entscheidung, Orascom Steine in den Weg zu legen, basiert wahrscheinlich weniger auf einer übergeordneten Strategie denn auf individueller Gier – wie so vieles in Nordkorea“, sagt Reuters-Experte Pearson.

Trotz der Korruption im Land verzeichnet die Wirtschaft seit Jahren einen moderaten Aufschwung. Das lässt sich nicht zuletzt an der Pionierleistung der Ägypter ablesen: Wenn nämlich mittlerweile jeder achte Nord­koreaner ein Handy besitzt, heißt das auch, dass ein Großteil der Bevölkerung ausreichend Geld für die relativ teuren Tarife hat. „Wir reden hier längst nicht mehr von einer Partei­elite, sondern der auf­steigenden Mittelschicht“, sagt Pearson. Man wisse bereits seit Jahren „von dieser neuen Klasse, doch Orascom hat ihre Existenz bewiesen“. Fabian Kretschmer