Frauenrechte in Saudi-Arabien: Wahlplakate ohne Fotos

Erstmals dürfen Frauen im Königreich Saudi-Arabien wählen und kandidieren. Das erfordert Sonderregelungen für Kandidatinnen.

Saudische Frauen bei einer Zeremonie zum Unabhängigkeitstag in Riad

Saudische Frauen bei einer Zeremonie zum Unabhängigkeitstag in Riad. Foto: Reuters

KAIRO taz | Für Saudi-Arabien ist es eine Premiere. Am kommenden Samstag dürfen Frauen im islamisch-erzkonservativen Königreich erstmals als Kandidatinnen und Wählerinnen an einer demokratischen Abstimmung teilnehmen.

Zu verdanken haben sie dies dem verstorbenen König Abdullah, der vor zwei Jahren ein Dekret erlassen hat, das Frauen das Recht einräumt, an Bezirkswahlen teilzunehmen. Unter den 7.000 Kandidaten treten jetzt auch 900 Frauen für die 284 Bezirksräte in dem einzigen demokratischen Experiment des Landes an.

In Saudi-Arabien haben weder Frauen noch Männer ein großes politisches Mitspracherecht. So ist es erst die dritte Bezirkswahl des Landes – die erste fand 2005 statt –, bei der nun auch Frauen teilnehmen dürfen. Ein Drittel der Abgeordneten für die Bezirksräte werden von oben bestimmt.

De facto haben diese Räte nur sehr begrenzte Wirkungsmöglichkeiten. Sie dürfen etwa Prioritäten beim Straßenbau setzen oder über kleinere lokale Infrastrukturprojekte entscheiden. Es handelt sich also um ein demokratisches Miniexperiment, dass den saudischen Autokraten kein Risiko abverlangt.

Weder Frauen noch Männer haben ein großes politisches Mitspracherecht

Zwar sind auf dieser demokratischen Spielwiese jetzt zum ersten Mal Frauen zugelassen, aber schon im Wahlkampf werden deren Grenzen schnell deutlich. Weil es nun auch Kandidatinnen gibt, musste ein neuer Erlass her: Kein Foto der Kandidaten darf in der Öffentlichkeit auf Wahlplakaten erscheinen.

Wenn Frauen zu einem Wahlkampftermin fahren, dann nur mit einem männlichen Fahrer, denn bis heute ist es ihnen in Saudi-Arabien verboten, am Steuer zu sitzen. Und sollte die Kandidatin auf einer Wahlveranstaltung ein männliches Publikum ansprechen wollen, darf sie das nur durch einen männlichen Vertreter, der für sie spricht. Frauenwahlkampf auf saudisch.

„Einige Aktivistinnen sehen in dieser Wahl nur eine kosmetische Verbesserung, andere glauben, dass dies ein wichtiger Schritt ist“, beschreibt die Frauenrechtlerin Hala Aldosari die Lage. Noura Al Souwayan sieht die Wahl als ein Einfallstor für den Beginn einer politischen Teilnahme von Frauen. Al Souwayan koordiniert „Baladi“ (“Mein Land“), eine Kampagne, in der sich ein großer Teil der Kandidatinnen im Vorfeld der Wahl organisiert hat.

Doch bei anderen saudischen Frauenrechtlerinnen sind nach dem ersten Enthusiasmus die Erwartungen inzwischen eher gedämpft. „Was passiert, wenn keine Frau gewinnt? Es gibt da sicher einen Impuls, aber wenn keine Frau gewählt wird, bleibt einfach alles, wie es ist“, fürchtet Fatin Bundagji, die im Aufsichtsrat der Handelskammer in Dschidda sitzt und Sprecherin von „Baladi“ ist. „Alles hängt vom Ausgang der Wahl ab“, glaubt sie.

Im Schnekcentempo zu Reformen

Eine der Kandidatinnen ist Loujain Hathloul. Sie erlangte Berühmtheit, als sie vergangenes Jahr mit ihrem Auto, ausgerüstet mit einem Führerschein aus Arabischen Emiraten und einer Videokamera, über die saudische Landgrenze zwischen den Emiraten und Saudi Arabien fahren wollte. Ein PR-Stunt für die saudische Women2drive-Kampagne, der ihr 73 Tage im Gefängnis einbrachte.

Nachdem die saudischen Behörden zunächst ihre Kandidatur wie auch die einiger anderer bekannten Aktivistinnen nicht zugelassen hatten, wurde dieser Beschluss vor wenigen Tagen aufgehoben. Ursprünglich, sagte Hathloul gegenüber der Presse, wollte sie nur antreten, um die Zahl der Kandidatinnen zu erhöhen. Nachdem sie zunächst von den Wahlen ausgeschlossen war und damit in Saudi Arabien zum Gesprächsthema wurde, hofft sie jetzt, vielleicht doch eine Chance zu haben, einen Sitz in den Bezirksräten zu gewinnen.

Es war in den vergangenen Jahren mühsam, im Schneckentempo Reformen auf den Weg zu bringen, die den saudischen Frauen mehr Rechte einräumen. Mit ihrer Kampagne, endlich Auto fahren zu dürfen, sind sie bisher gescheitert.

Immerhin bestellte König Abdullah vor zwei Jahren erstmals Frauen in die Schura, eine nationale Ratsversammlung, deren Mitglieder ausschließlich vom Könighaus bestimmt werden, und die nur beratende Funktion hat. Das letzte Wort hat immer der König. Doch auf dem Arbeitsmarkt haben sich die Frauen in den vergangenen Jahren immer mehr Sphären erobert. Es ist für sie auch einfacher geworden, eine eigene Firma zu gründen.

Scheichs gegen „Unheil des Frauenwahlrechts“

Doch selbst die Teilnahme von Frauen an der relativ unbedeutenden Bezirkswahl stößt bei den Konservativen in dem Wüstenstaat auf Widerstand. Eine Frau könne vielleicht als Lehrerin arbeiten. Als Abgeordnete in einem Bezirksrat könne sie aber nicht mit Männern zusammen in einem Raum sitzen und lokale Probleme lösen, damit sei ihre Teilnahme wertlos, argumentiert der konservative Rechtsgelehrte Scheich Fahid Bin Meteb Al-Sabei.

Ein anderer Scheich, Abdel Rahman Bin Nasser El-Barak, hat gar eine Fatwa erlassen, laut der es verboten ist, wenn Frauen als Bezirksrätinnen kandidieren oder bestellt werden. Ebenso verboten sei es, Frauen zu wählen. Dieses Mischen der Geschlechter sei eine Verwestlichung und korrumpiere die konservative saudische Gesellschaft, heißt es in dem islamischen Rechtsgutachten.

Einige der konservativen Scheichs des Landes haben sogar Abdul Asis al-Scheich, dem Mufti des Landes, also dem obersten Fatwa-Geber, einen Besuch abgestattet, mit dem Ziel, „das Unheil des Frauenwahlrechts“ abzuwenden. Der Mufti, der nicht gerade für liberale Ansichten bekannt ist, hat dies wohl auf Geheiß des Königshauses abgelehnt. Man solle die „Feinde des Lebens getrost ignorieren“, urteilte er.

In der öffentlichen Debatte, vor allem in Saudi-Arabien stark genutzten sozialen Medien, befürworten auch die meisten Frauen und Männer das Frauenwahlrecht. So heißt es etwa lapidar in einem Tweet: „Statt über die Gefahren des Krieges im Jemen und unsere dortigen Toten debattieren wir über die vermeintliche Gefahr, wenn eine Frau in unserem Land gewählt wird.“

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