Überall Bahnfahren ohne Bier

ALKOHOLVERBOT Von Niedersachsen lernen, heißt Sicherheit lernen: Auf Anregung aus Hannover prüft die Innenministerkonferenz bundesweit alkoholfreie Regionalzüge

Wie die Metronom-Sprecherin einräumt, gibt es noch Probleme mit einem „speziellen Teil unserer Klientel“

VON MICHAEL QUASTHOFF

„Niedersächsische Vorstöße finden breite Unterstützung“: Diese Botschaft übermittelte Innenminister Uwe Schünemann (CDU) am Freitag von der Innenministerkonferenz (IMK) in Bremen. Und meinte damit unter anderem das bundesweite Alkoholverbot in Regionalzügen und S-Bahnen, das er zusammen mit seinem bayerischen Amtskollegen Joachim Herrmann projektiert.

Zumindest beauftragte die IMK den für Polizeiangelegenheiten zuständigen Arbeitskreis II mit der Prüfung, ob das von einzelnen Verkehrsbetrieben verhängte Promille-Tabu „eine geeignete Maßnahme zur Verbesserung der Sicherheit in Zügen und auf Bahnhöfen ist“. Unter andrem ist zu klären, ob sich die teuren Kontrollen eines solchen Verbots lohnen. Bis zur nächsten IMK sollen erste Ergebnisse vorliegen.

Geht es nach der privaten Eisenbahngesellschaft Metronom, die ihre blau-gelben Wagen durch Niedersachsen, Bremen und Hamburg rollen lässt, kann sich der Arbeitskreis die Arbeit sparen: Seit 15. November hat das Unternehmen „auf Wunsch unserer Fahrgäste“ ein generelles Alkoholverbot verhängt. Der Effekt sei „verblüffend“ gewesen, sagt Sprecherin Tatjana Festerling: „Die Züge waren von einem Tag auf den anderen nicht mehr so vermüllt.“ Auch die Zahl gewalttätiger Übergriffe vor allem durch betrunkene Fußballfans, unter denen die anderen Fahrgäste und das Personal zu leiden gehabt hätten, sei „deutlich zurückgegangen“. Dabei habe man bis zum 1. Dezember keine Bußgelder verhängt, sondern nur gelbe Karten verteilt, die auf die Null-Promille-Regelung hinwiesen.

Zur Durchschlagskraft der Maßnahme dürfte auch die Präsenz des Sicherheitsdienstes beigetragen haben: Dieser hat Festerling zufolge seine Personalstärke „erheblich aufgestockt“. Im Normalfall reichten ein bis zwei Mitarbeiter, „die diskret ihre Kontrollgänge machen“. An Samstagen mit Spielen der Fußball-Bundesliga patroulliert auf „Problemstrecken“ aber auch schon mal ein knappes Dutzend durch die Züge. Einige Bahnhöfe müssen dann von Sicherheitsleuten und Bundespolizei in Regimentsstärke gesichert werden – Alkoholverbot hin oder her.

Wie Festerling einräumt, gebe es immer noch Probleme mit einem „sehr speziellen Teil unserer Klientel“, der das Alkoholverbot „bewusst übergeht“. Die Metronom-Sprecherin spricht von sehr jungen „Ultras-Fußballfans“ und berichtet von konzertierten Krawall-Aktion. So hätten am vergangenen Wochenende Anhänger des Drittligisten Holstein Kiel am Hamburger Hauptbahnhof postierte Sicherheitsleute und Polizisten regelrecht ausgespäht. Kaum seien die Ordnungskräfte abgezogen worden, habe der 80-köpfige Trupp Betrunkener einen Zug bestiegen und darin randaliert. Und das in solchen Ausmaß, dass das drangsalierte Personal in Celle ein großes Aufgebot der Bundespolizei zu Hilfe habe rufen müssen.

„Wer behauptet, ein Alkoholverbot ließe sich nicht durchsetzen“, sagt Festerling, „der irrt.“ Man müsse diese neuen Phänomene beobachten und an den Wochenenden aufrüsten – auch seitens des Staates. Wichtig nannte auch Minister Schünemann eine „angemessene Präsenz von Bundespolizei, Landespolizei und Sicherheitskräften“.

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