Madame Tus Skulpturenkabinett

BRONZE Kunst im öffentlichen Raum soll politisch sein? Die heute vor dem Bremer Hauptbahnhof aufgestellten Lüpertz-Giganten regen zumindest zum Nachdenken über Sammlungspolitik an

Die geplante großflächige Bebauung des Bahnhofvorplatzes stockt, umso lebhafter entwickelt sich die Nutzung des Areals für gigantische Skulpturen: Heute werden zwei Bronzestatuen von Markus Lüpertz aufgestellt, sie markieren den Übergang zum Rasen vor dem Überseemuseum. Lüpertz‘ „Daphne“ misst 3,7 Meter, „Der Morgen oder Hölderlin“ ist eine fast vier Meter große Skulptur, die Lüpertz in der für ihn charakteristischen Gestalt einer farbig bemalten Bronze ausgeführt hat.

Lüpertz‘ Eyecatcher ersetzen die wenige Meter entfernt platziert gewesene „Affenskulptur“ seines Freundes Jörg Immendorff, die nun in Salzburg steht – wo die „Daphne“ herkommt. Organisatorin all‘ dieser Kunst-Transaktionen ist die Bremer Sammlerin Shue-Ming Tu. Sie habe Lüpertz um die Leihgaben gebeten, als dieser 2012 wegen seiner Radierungs-Edition zu Gunsten der Kammerphilharmonie in Bremen war, sagt Tu der taz. Die Transportkosten von Salzburg beziehungsweise Düsseldorf nach Bremen übernehme das hiesige Kulturressort, den für September geplanten Weitertransport nach St.Petersburg die dortige Eremitage.

9.000 Euro für acht Monate Kunst? Das wäre eine allzu kleinteilige Rechnung, zumal Madame Tu, wie die Sammlerin in Kunstkreisen genannt wird, auch wesentlich langfristigere Bespielungen des öffentlichen Raums organisiert hat. Immendorffs „Affentor II“ etwa, 2007 vor der Sparkasse am Brill aufgestellt, soll dort mindestens zehn Jahre bleiben. Bei kleinformatigeren Werken ist Tu wegen ihrer Sammlungs-Verlagerungspolitik allerdings durchaus umstritten, etwa in Bezug auf das Museum Weserburg. 2009 hatte sie ihre „Muskeln“ spielen lassen, in dem sie ihre dort eingebrachten Bestände – gut 250 Werke –wegen Unstimmigkeiten mit der Museumsleitung kurzfristig ins Münsteraner Picasso-Museum auslagerte.

Lüpertz gilt als einer der bekanntesten Gegenwartskünstler, auch als einer der schillerndsten: Seine Lehrstelle als Weinetiketten-Maler verlor er wegen „mangelndem Talent“, nach einem Zwischenspiel bei der Fremdenlegion schloss er sich der West-Berliner Bohème an, wo er erste Erfolge hatte. Kollegen wie Hans-Joachim Müller kritisieren Lüpertz‘ „herrische Großmeistertravestie“ – eine Anspielung auf die von Lüpertz geliebte Selbstdarstellung als Genie.

Lüpertz goss seinen „Hölderlin“ für die Olympischen Spiele in London, er stand vor dem Deutschen Haus im Museum of London Docklands. Auch der Immendorff‘schen „Affenskulptur“ deren Platz er nun einnimmt, hatte die aus Taiwan stammende Tu eine olympische Karriere zugedacht – doch Tus Immendorff verpasste den Einzug in die prestigeträchtigen Pekinger Sommerspiele.

Dieser sammlungspolitische Misserfolg führte immerhin dazu, dass das Werk deutlich länger in Bremen blieb als eigentlich geplant. Dann bot Tu es dem Salzburger Museum der Moderne an. Der dortige Kulturausschuss gab grünes Licht, die Bremer Behörden wurden, wie die Nachrichtenagentur dpa damals vermeldete, allerdings erst nachträglich informiert. Henning Bleyl