NSU-Untersuchungsausschuss in Hessen: VS-Mann erinnert sich (nicht)

War Verfassungsschützer Temme vor Ort, als der NSU in Kassel Halit Yozgat ermordete? Sein Ex-Kollege macht widersprüchliche Aussagen.

Außenansicht eines Hauses mit Tür und Schaufenster mit Elektroartikeln

Holländische Straße 82 in Kassel (2013). Hier ermordete der NSU Halit Yozgat. Heute ist das Internet-Café ein Elektrogeschäft Foto: imago/Florian Schuh

WIESBADEN taz | Widersprüche im hessischen NSU-Ausschuss: Am Montag hat dort eine ehemaliger Verfassungsschützer ausgesagt, aber keine Klarheit in den Fall gebracht.

Der 72-Jährige ist ein Exkollege von Andreas Temme, dem hessischen Verfassungsschützer, der in der Nähe war, als der Kasseler Internetcafébesitzer Halit Yozgat mutmaßlich vom NSU ermordet wurde. Temme hatte sich nicht als Zeuge gemeldet. Als herauskam, dass er am Tatort war, stand er zeitweise unter Mordverdacht und wurde vom Dienst suspendiert.

Der NSU-Ausschuss in Hessen will die Rolle Temmes und des Landesverfassungsschutzes klären. Der Zeuge am Montag ist Frank Fehling, der ehemalige Amtsleiter der nordhessischen Abteilung des hessischen Verfassungsschutzes. Er wirkt nervös und unsicher.

Fehling hatte 2006 mit Andreas Temme nach dessen Suspendierung wegen des Mordverdachts mehrfach telefoniert. „Das Dienstliche ist gar nicht so schlimm, Andreas … das haben wir alles im Griff“, sagte er ihm. Das belegen Telefonmitschnitte. In einem anderen Gespräch sagt er, dass es „schon mal wichtig sei“, dass Temme nicht an einer Tatrekonstruktion beteiligt war. Dies wäre ansonsten „sein Tod“ gewesen, so Fehling im Telefonat.

Anweisung der Zentrale: Er bleibt Kollege

An diese Gespräche konnte sich Fehling im Münchner NSU-Prozess nicht erinnern – bis ihm Mitschnitte vorgespielt wurden. In Wiesbaden stellt er dies ganz anders dar: „Solange es keine Verurteilung gab, war die Anweisung aus der Zentrale, dass er Kollege bleibt und wir Anrufe entgegennehmen dürfen.“

Mit seiner Aussage, dass eine Beteiligung Temmes an der Tatrekonstruktion dessen „Tod“ sei, will er sich nicht auf eine mögliche Nachprüfbarkeit der Täterschaft Temmes bezogen haben. Es sei darum gegangen, dass Temme dann „Medien bekannt“ gewesen wäre und nicht mehr als VS-Mann hätte arbeiten können.

Auch in anderen Dingen sind seine Aussagen widersprüchlich. Obwohl er bestätigt, mehrere Jahre lang den rechtsextremen V-Mann Benjamin Gärtner geführt zu haben, gibt er im Ausschuss an, die Deutsche Partei nicht zu kennen. Dieser gehörte Gärtner an. Erstmals behauptet Fehling, dass er persönlich mit Temme über den Kasseler Mordfall gesprochen haben will. „Weil das besagte Internetcafé ja auf seinem Nachhauseweg liegt.“

Wenig später widerruft Fehling diese Aussage. Und sagt, dass er damals gar nicht wusste, wo Temme lebte. Auch erklärt er, dass Temme ihm damals geantwortet haben soll, das Café nicht zu kennen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Mit der taz Bewegung bleibst Du auf dem Laufenden über Demos, Diskussionen und Aktionen gegen rechts.

Hier erfährst du mehr

Rechtsextreme Terroranschläge haben Tradition in Deutschland.

■ Beim Oktoberfest-Attentat im Jahr 1980 starben 13 Menschen in München.

■ Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) um Beate Zschäpe verübte bis 2011 zehn Morde und drei Anschläge.

■ Als Rechtsterroristen verurteilt wurde zuletzt die sächsische „Gruppe Freital“, ebenso die „Oldschool Society“ und die Gruppe „Revolution Chemnitz“.

■ Gegen den Bundeswehrsoldaten Franco A. wird wegen Rechtsterrorverdachts ermittelt.

■ Ein Attentäter erschoss in München im Jahr 2016 auch aus rassistischen Gründen neun Menschen.

■ Der CDU-Politiker Walter Lübcke wurde 2019 getötet. Der Rechtsextremist Stephan Ernst gilt als dringend tatverdächtig.

■ In die Synagoge in Halle versuchte Stephan B. am 9. Oktober 2019 zu stürmen und ermordete zwei Menschen.

■ In Hanau erschoss ein Mann am 19. Februar 2020 in Shisha-Bars neun Menschen und dann seine Mutter und sich selbst. Er hinterließ rassistische Pamphlete.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.