Geisel im Knast

Ausländerbehörde macht kurzen Prozess: Statt zum Psychologen kam das traumatisierte Opfer einer Entführung nur in den Abschiebeknast

Weil sie ohne legalen Aufenthalt beim Freund lebte, soll sie abgeschoben werden

bremen taz ■ Von ihrer bewaffneten Entführung am Wochenende noch traumatisiert, sitzt das Opfer, eine 42-jährige Bulgarin, seit Tagen in Bremer Abschiebehaft. „Ohne, dass sie wenigstens einen Psychologen gesehen hätte“, beklagte gestern ihr Anwalt. Der konnte mit seiner Mandantin noch gar nicht richtig sprechen. „So verstört und durch den Wind war sie.“

Immerhin gelang es dem Juristen, die für kommenden Montag angesetzte zwangsweise Abschiebung seiner Mandantin nach Bulgarien vorerst zu stoppen – auch, weil die Entführte als Opfer und somit Hauptbelastungszeugin im Strafverfahren gegen die drei Entführer wird aussagen müssen.

„Bei solch entscheidenden Zeugenaussagen kann man nicht einfach Aufzeichnungen aus der richterlichen Vernehmung einführen“, bezieht sich der Anwalt auf Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg. „Da muss man die Zeugin selbst hören.“ Für die Frau aber war offenbar lediglich für heute eine richterliche Vernehmung vorgesehen – und dann postwendend die zwangsweise Rückführung in die Heimat.

„Dabei gestattet das Aufenthaltsrecht sehr wohl, das Opfer einer Straftat in einer solch prekären Lage nicht direkt abzuschieben“, kritisiert der Anwalt das Vorgehen der Behörden. Über diese Möglichkeit habe die Ausländerbehörde die Staatsanwaltschaft nicht ausreichend informiert. „Erst als ich einen entsprechenden Antrag nach dem Aufenthaltsgesetz gestellt habe, wurde reagiert.“ Das Vorgehen der Ausländerbehörde sei ihm unverständlich, zumal die Behörde doch die Verantwortung trage für eine angemessene Behandlung der Frau – auch in Abschiebehaft. Diesem Grundsatz aber komme sie offenbar nur unzureichend nach. Von der Ausländerbehörde selbst war gestern vor Redaktionsschluss keine Stellungnahme mehr zu erhalten.

Fest steht bislang: Dem 42-jährigen Entführungsopfer wird – außer einem illegalen Aufenthalt bei ihrem Lebensgefährten in Deutschland – nichts angelastet. Nach Polizeimitteilungen war die Frau am Wochenende vielmehr von drei Männern quasi als Geisel genommen und gewaltsam aus Bremen nach Hamburg verschleppt worden, um ihren Freund zu Geldzahlungen zu zwingen. Die soll er nach Drogengeschäften schuldig geblieben sein. Gegen den 41-jährigen Freund, der die Polizei gleich nach der Entführung seiner Partnerin alarmierte, wurden Ermittlungen eingeleitet. Weiter wollte die Polizei sich dazu gestern nicht äußern, „um das Ergebnis nicht zu gefährden“.

Die mutmaßlichen Geiselnehmer im Alter zwischen 33 und 38 Jahren sitzen seit der Befreiung der Geisel durch ein Sondereinsatzkommando in Hamburg nun in Untersuchungshaft. Es handelt sich dabei um eine Frau und zwei Männer. ede