Miniaturen des Alltags

Literatur Ina Bruchlos liest aus ihrem neuen Erzählungsband "Da ist ein Riss in der Welt"

Da ist wirklich ein Riss in der Welt. Nicht nur im Buchtitel, nicht nur auf dem Cover, sondern in der Welt, im Sprechen und Denken. Und natürlich zwischen all diesen Faktoren. Denn welche Erinnerung stimmt schon ganz genau, welche Selbstzuschreibung ist wahr? Hatte die Mutter einst wirklich ein gutes Gedächtnis, oder glaubt der Vater das nur, weil er selbst keins hat?

Fragen, die sich die in Hamburg lebende Künstlerin und Autorin Ina Bruchlos stellt, die jetzt ein neues Buch mit 18 Erzählungen und eigenen Bildern edierte. Die Geschichten darin sind so bodenständig wie fili­gran-philosophisch.

Denn ob sie über den Notizzettelwahn unter den Kunsthallen-Aufsichten – ihren Kollegen – schreibt oder über ihren Versuch, im Antiquariat Kontakt mit dem gespenstisch fliehenden Verkäufer aufzunehmen: Stets benennt sie das Erratische im eigenen Erleben und Denken. Und immer wieder zweifelt sie in humorvollen Alltags-Miniaturen gehörig an sich. Sie lauscht dem nach, was sie gerade gesagt oder gedacht hat und wundert sich: Handlungen und Gedanken schlingern, und es kann passieren, dass jemand sie für etwas beschimpft, was er selbst gesagt hat.

Oft handeln Ina Bruchlos’Geschichten auch von der Kunst: davon, dass niemandes Berufsziel „unbekannter Künstler“ lautet, dass es aber fürs Berühmtsein – so glaubt das Volk – unabdingbar ist, tot zu sein.“ Es ist absurd, den Tod an den Anfang zu setzen“, schreibt sie. „Niemand startet durch, wenn er erst einmal gestorben ist.“

Auch die Kunstszene bekommt ihr Fett weg: „Ich lebe in einer Dingwelt“, schreibt Ina Bruchlos. „Und auch in der Kunstwelt tat ich mich immer schwer mit Konzeptkunst, in der es darum ging, Konzepte umzusetzen und nicht darum, etwas Individuelles zu schaffen. Schließlich möchte ich (wie beim Billard, die Red.) an meine Kugeln kommen und nicht erklären, wie ein anderer an meine Kugeln kommt, um mich zu freuen, dass er genauso an meine Kugeln kam, wie ich es erklärt und mir vorgestellt habe.“ PS

Ina Bruchlos liest aus „Da ist ein Riss in der Welt“: Di, 8. 12., 19.30 Uhr, Literaturhaus, Schwanenwik 38