Kommentar Demonstrationen in Polen: Unfähig zu Kompromissen

Das Land ist tief gespalten: Beide Seiten schreien sich nur noch gegenseitig an – auch im Parlament. Sie finden kaum eine gemeinsame Sprache.

Demonstration in Warschau zur Unterstützung der Regierung.

Die Koczynzki-Anhänger zeigen ihre Flagge in Warschau. Foto: dpa

Polen ist nicht Ungarn. Das Land hat starke zivilgesellschaftliche Traditionen. Es waren nicht die Oppositionsparteien, die zum Protest gegen die Gängelung des Verfassungsgerichtes aufriefen, sondern eine Bürgerbewegung, die an eine der Mutterzellen der Solidarność anknüpft: an das Komitee zur Verteidigung der Arbeiter (KOR) aus dem Jahre 1977. Und vor zehn Tagen gründete sie nun KOD – das Komitee zur Verteidigung der Demokratie.

Die Opposition sattelte auf und ritt am Sonntag mit 50.000 bis 70.000 Demonstranten mit. Einen Tag später mobilisierte die seit einem Monat regierende Recht und Gerechtigkeit (PiS) zur Mahnkundgebung anlässlich des 34. Jahrestages des 1981 von General Jaruzelski gegen die Solidarność ausgerufenen Kriegsrecht auch mehrere zehntausend Anhänger. Der Witz der Geschichte: Sowohl am Samstag als auch am Sonntag wurde die Nationalfahne geschwenkt und die Nationalhymne gesungen.

Es gibt also zwei Polen, die einander in Chören anschreien, aber – auch im Parlament – kaum eine gemeinsame Sprache finden.

Das eine fühlt sich in Europa gut aufgehoben, das andere beargwöhnt Brüssel als unverfrorene Bevormundung: Die EU-Gelder gebührten den Polen, weil sie jahrhundertelang das Opfer der Nachbarn und der halbherzigen westlichen Alliierten waren – aber niemand darf ihnen reinreden, wie sie regieren sollten.

Das andere Polen sieht in der EU einen historischen Halt für das gebeutelte Land, hält die Europafahne hoch und schätzt europäische Institutionen als moderierende, normgebende Instanzen. Ein Ausgleich wäre möglich, wenn die Nationalkonservativen ihn wollten.

Doch kompromissunfähig eskalieren sie den Konflikt und beschädigen sich selbst. Die Opposition hat nun leichtes Spiel die Staatsvorstellungen der PiS als Neuauflage des volkspolnischen Parteienstaates bloßzulegen, in dem der Parteichef – Jaroslaw Kaczynski – die Strippen zieht, ohne juristisch verantwortlich zu sein.

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