Ein jüdisches Zuhause ohne Absperrungen

Bei ihrem Neubau will die Israelitische Kultusgemeinde München ganz ohne Sicherheitszäune auskommen

MÜNCHEN taz ■ Joshua Chmiel war traurig über die erste Journalistenfrage zum Richtfest des jüdischen Gemeindezentrums in München: „Schade, dass die Frage nach der Sicherheit die erste ist.“ Doch seine Antwort darauf bedeutete beinahe einen Paradigmenwechsel im schwierigen Zusammenleben zwischen den Kulturen und Religionen: „Es wird keine Zäune geben, alles ist frei zugänglich. Wir schaffen eine Normalität, die beinahe schon wieder abnormal ist“, erklärte der stellvertretende Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde.

Raum zum Flanieren, für Kunst, Kultur und Kulinarisches für „Münchner und Touristen, für Vertreter aller Glaubensgemeinschaften“ soll das Zentrum bieten. Und keine Festung mehr sein mit Betonpollern, Panzerglas und Polizisten, wie jetzt bei dem Münchner Hinterhof in der Reichenbachstraße, in den sich die jüdische Gemeinde für Jahrzehnte zurückgezogen hatte. „Es ist meine Stadt, es ist unsere Stadt“ heißt das neue Selbstbewusstsein der Israelitischen Kultusgemeinde. Heute feiert die Gemeinde Richtfest, bis 2007 soll dass Haus fertig sein.

Zumindest in der Öffentlichkeit wird die Sicherheitsfrage nicht mehr thematisiert, obwohl gerade die Israelitische Kultusgemeinde eigentlich jedes Recht hätte, ihr 75 Millionen Euro teures Kulturzentrum abzuschotten. Hatte die Polizei doch kurz vor der Grundsteinlegung im September 2003 14 Mitglieder der Neonazigruppe „Kameradschaft Süd“ festgenommen. Beschlagnahmt wurden damals auch 14 Kilogramm Sprengstoff, darunter 1,7 Kilo hoch explosives TNT, die für ein Attentat bei der Grundsteinlegung verwendet werden sollten. Der Gruppe konnten zwar keine konkreten Anschlagspläne nachgewiesen werden, aber wenn heute Richtfest gefeiert wird, sitzt Rädelsführer Martin Wiese wegen Rädelsführerschaft in einer Terrorgruppe im Gefängnis.

Natürlich denke man weiter an die Sicherheit, mehr als fünf Millionen Euro seien in Sicherheitseinrichtungen investiert worden, etwa einen Tunnel, der Gemeindezentrum und Synagoge verbindet. „Aber entscheidend ist, wie die Stadtgemeinschaft ihre Bürger schützt“, sagte Chmiel. Und entscheidend ist für den Münchner Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) auch, dass mit dem „durchlässigen“ Ensemble aus Synagoge, Grundschule, Museum und Gemeindehaus das Judentum endlich wieder eine Heimat erhalte in der Stadt. MAX HÄGLER