Düfte mit persönlicher Note

MASSARBEIT Es riecht so gut: In Berlin gibt es inzwischen mehrere Manufakturen und Geschäfte, die Parfüms selbst herstellen oder den KundInnen individuell anpassen

Frau Tonis Parfum, Zimmerstraße 13, 10969 Berlin, Tel. (030) 20 21 53 10, post@frau-tonis-parfum.com, www.frau-tonis-parfum.com

Harry Lehmann, Kantstraße 106, 10627 Berlin, Tel. (030) 324 35-82 oder -32, Harry-Lehmann@web.de, www.parfum-individual.de

J. F. Schwarzlose Berlin, Waldenserstr. 2–4, 10551 Berlin, Tel. (030) 50 56 28 48, service@schwarzloseberlin.com, www.schwarzloseberlin.com

von JANA BACH

Eine Bar in Berlin, verraucht, was sonst. Der Duft sticht dennoch heraus: „Pardon, aber was ist das?“ „Cochabamba“. Bergamotte, Zitronengras, Eisenkraut und weißer Moschus, einige der Ingredienzien, die No. 83 in sich vereint.

Wer auf der Suche nach einem Parfüm mit individueller Note ist, muss sich nicht zwingend ins französische Parfüm-Mekka Grasse aufmachen und Unsummen ausgeben, sondern kann auch in Berlin fündig werden. Etwa bei „Frau Tonis“, einem kleinen Laden mit schwarz-weiß gestreifter Markise, nahe dem Checkpoint Charlie. Mit ihrem Partner Christoph Niedermeier eröffnete Stefanie Hanssen 2009 den Laden. Store und Marke sind nach ihrer Oma benannt, eine Hommage an deren Händchen für Ausgewähltes.

Eau de Parfums wie Bahia No. 88 oder Linde Berlin No. 10 reihen sich in knapp 30 gläsernen Apothekerflakons aneinander, alle Unisex, keines von der Stange und alle theoretisch miteinander kombinierbar. Von Mandarine und Muskat, Magnolie, Mandel, Zimt und Zitronengras, Wachholder, Amber und Zedernholz – einiges riecht ein Laie eventuell heraus. „Immer wieder mal an den Kaffeebohnen schnuppern“, rät eine der Mitarbeiterinnen, „das neutralisiert“. Was der eigenen Nase und Haut passt, muss ausprobiert werden. Was zusammen funktioniert, weiß hingegen der Experte. Wie zum Beispiel „Mol intens“ zu der seit einigen Jahren sehr beliebten frischen „Tulpe“, 100 Milliliter für circa 90 Euro, passt. Frau Tonis bietet auch Einsteigerkurse und Seminare.

Ob zitrisch moosig, holzig würzig, maritim oder orientalisch. Was gefällt, ist subjektiv und ein universaler Wohlgeruch Wunschdenken. Wie Marlene Dietrich zu duften, reines Veilchen, war gestern angesagt. Seit Kurzem sind Oud-Düfte sehr gefragt. Die wohl teuerste Ingredienz der Welt wird aus dem Harz von Adlerholzbäumen gewonnen und wiegt Gold auf.

Wie sich der Geschmack verändert, weiß Lutz Lehmann aus langjähriger Erfahrung. In den 70ern entdeckte etwa ein Schauspieler, „kein unbekanntes Gesicht“, bei ihm im Geschäft „Habanera“ für sich – ein schwerer Duft, der mit Leder, Tabak, Eichenholz und Weihrauch an Herrenclub, Polstersessel und Whiskygläser erinnert. Damals roch dann die gesamte lokale Theaterszene danach, heute wählt ihn fast keiner mehr.

Behutsam hantiert Lehmann mit den Essenzen, hebt den Glasstöpsel. Ein Mann mit sanfter Stimme, der die Parfüm-Manufaktur, Kantstraße 106, in dritter Generation führt und der auch Frau Tonis beliefert. Für die feinen Rohstoffe reist er nach Grasse, Nizza und Monaco. Seine Mitarbeiterin, verrät Lehmann, als die hübsche Dame im weißen Kittel hinter dem Tresen verschwindet, kenne ihn noch als Jungen. Kaum zu fassen. Dort, hinter dem Vorhang hängt der „Tropfer“, momentan außer Betrieb. Früher, am Zoo, spendete die stadtbekannte Maschine permanent den Tagesduft. Der Großvater gründete das Geschäft 1926. Bis heute steht es für Qualität zu moderaten Preisen. Verkauft wird nach Gramm, nur muss mittlerweile in Milliliter umgerechnet werden. Noch in Gebrauch: der originale Holzsetzkasten für die Etiketten. Obwohl mittlerweile wenig rentabel, nehmen künstliches Grün- und Blumenwerk in Form von Lilienbuketts, gesteckte Geranien und Rosenbäumen die Hälfte der Fläche ein .

Auf rotem Samt, vor Larissa und Jasmin, 10 ml á 5 Euro, und anderen bauchigen Flaschen, steht die alte goldene Apothekerwaage im Schaufenster. Zukunftspläne? Lehmann wünscht sich, dass alles so bleibt, wie es ist. Streng vertraulich bewahrt er die mehr als 3.000 Adressen in seiner Kundenkartei auf, darunter befinden sich Berliner Berühmtheiten und auch bereits Verstorbene, vermerkt mit ihren Duftpräferenzen.

Als einer von ganz wenigen fertigt Lehmann noch Düfte in Maßarbeit. Obwohl die Branche boomt, die PR mit Topmodellen und Leistungssportlern arbeitet und jedes Jahr fast 200 neue Noten auf den Markt geworfen werden, ist die Zunft und ihr Kunsthandwerk eine aussterbende. Nur große Häuser leisten sich noch „Nasen“, wie die Kompositeure in der Branche genannt werden. Ausbildungsstätten für Parfümeure sind rar. Der Handel mit Parfüm, vor allem x-beliebiger Durchschnittsware, ist ein Milliardengeschäft.

Eine auf den Leib zugeschnittene Mixtur braucht aber Zeit und Fingerspitzengefühl für den Menschen, der sie tragen wird, wie eine zweite Haut. Haute Couture. Pu Yi, dem letzten Kaiser von China, gefiel etwa „Weiße Rose“. Ein Odeur im Art-déco-Flakon, den er von einem Besuch in Berlin in die Verbotene Stadt mitbrachte. Kreiert und produziert von der einst größten Parfüm-Manufaktur Deutschlands: J. F. Schwarzlose Söhne. Das war in den 1920ern, als der 1856 gegründete Familienbetrieb nicht nur Berliner Salons mit Kreationen wie „Treffpunkt 8 Uhr“ und „1 A-33“ aromatisierte, sondern auch nach New York, Ecuador und an den königlichen Hof der Hohenzollern lieferte. Mit dem Zweiten Weltkrieg endete diese Erfolgsgeschichte, der Mauerbau verhinderte einen Neubeginn.

Nach langer Recherche hat ein Dreiergespann – die Parfümeurin Véronique Nyberg, der Industrie-Designer Lutz Hermann und der Marketingexperte Tamas Tagscherer – das Unternehmen 2012 als J. F. Schwarzlose Berlin und eben diese historischen Düfte in ähnlicher Komposition wiederbelebt. 20 Prozent Parfümöl enthalten sie. Auch „Rausch“, eine Eigenkreation, zelebriert die Golden Twenties – mit Vanille, rotem Pfeffer, Amber, Patchouli und Oud. Das müsste sich doch mal in der Berliner Luft niederschlagen. Vielleicht im intensiven Nachtleben.